Jüdische Kulturtage: Versöhnung steht über allem

Rolf Gompertz musste 1939 vor den Nationalsozialisten fliehen. Bei einer Lesung erinnert er sich an die erste Rückkehr.

Krefeld. Als Rolf Gompertz vier Jahre alt war, wollte er Schornsteinfeger werden. Die Mutter wollte ihm wohl zu häufig das Gesicht waschen, und als Schornsteinfeger glaubte er vom Waschzwang lebenslang befreit zu sein. Dann hat er aber Bücher von Karl May gelesen, da wollte er Indianer werden. Und dann kam alles anders. Rolf Gompertz, geboren am 29. Dezember 1927 in dieser Stadt, als Kind Krefelder Bürger jüdischen Glaubens, musste mit seinen Eltern 1939 vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen. Jetzt ist er zum dritten Mal zu Besuch in seiner Heimatstadt.

Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage stellte Gompertz im Jüdischen Gemeindezentrum seinen Roman „Jesus — mein jüdischer Bruder“ vor und erinnerte sich gemeinsam mit Ex-Oberbürgermeister Dieter Pützhofen an die erstmalige Rückkehr ehemaliger jüdischer Mitbürger nach Krefeld im Jahr 1987.

Die Familie Gompertz war nach Los Angeles ausgewandert. „Zu meiner großen Enttäuschung fand ich keine Indianer in Beverly Hills“, erzählt Rolf Gompertz, so sei er dann Schriftsteller, Publizist, Redakteur und Lehrer geworden.

„Jesus — mein jüdischer Bruder“ hat Gompertz auf Englisch verfasst. Seit dem letzten Jahr liegt eine deutsche Übersetzung in der Neukirchener Verlagsanstalt vor. „Christen- und Judentum sollen einander verstehen und respektieren“, das ist Gompertz’ Hauptanliegen, das er auch mit seinem Roman verfolgt.

Im zentralen Kapitel streiten der Hohe Priester Kaiphas und Gamaliel, Vorsitzender des Hohen jüdischen Gerichts, darüber, wie mit Jesus zu verfahren ist. Dabei betont Gompertz, dass die Anweisung, Jesus „wegzuschaffen“, eben ein Befehl des römischen Prokurators Pilatus war.

Damit will er dem Vorurteil entgegentreten, die Juden hätten Jesus ermordet. „Dieses Buch bedeutet meine Antwort auf Hitler, die Kristallnacht und den Holocaust“, sagt Gompertz. „Wir müssen uns immer wieder unserer gemeinsamen Menschlichkeit erinnern.“

Gompertz gehörte der 132-köpfigen Gruppe Krefelder Bürger jüdischen Glaubens an, die Pützhofen bei einem Empfang im Krefelder Hof 1987 willkommen hieß. „Soviel Freude und soviel Beklemmung gleichzeitig habe ich nie wieder bei einer Rede empfunden“, erzählt Pützhofen. „Schließlich hatte man diese Menschen ja aus ihrer Heimatstadt vertrieben, und nicht nachts, sondern am helllichten Tag vor aller Augen“, betont er mit Nachdruck. „Eine Alternative zur Aussöhnung gibt es nicht“, darin sind sich Pützhofen und Gompertz einig.

Rolf Gompertz

Jesus — mein jüdischer Bruder

1. Auflage 2010, 320 Seiten

ISBN 978-3-7615-5752-5

Neukirchener Aussaat