Der vergessene Pionier
Endlich würdigt Krefeld Richard Errell — Fotograf, Künstler und Schöpfer der israelischen Flagge.
Krefeld. Seine Biografie würde für drei Leben reichen. 93 Jahre standen dem Fotografen und Werbegrafiker Richard Errell dafür zur Verfügung und er nutzte sie in großer künstlerischer Vielfalt. Dass das Werk des 1899 in Krefeld geborenen jüdischen Künstlers jetzt endlich in seiner Heimatstadt ausgestellt wird, ist Eugen Gerritz zu verdanken. Eine von ihm bereits vor einigen Jahren angeregte Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum stieß bei der Museumsleitung auf kein Interesse.
Jetzt hat Roswitha Hirner vom Verein Kunst und Krefeld die Idee aufgegriffen. Ein von Gerritz zusammengestellter Ordner erleichterte ihr die Kontaktaufnahme mit den Leihgebern. So besuchte sie Errells Sohn Jonathan in Israel, der ihr Zeichnungen und Familienfotos überließ. Den großen künstlerischen Nachlass Errells bekam sie vom Museum Folkwang in Essen.
In der Schau, die morgen eröffnet, bekommt man einen einmaligen Einblick in Errells frühe Schaffensphase in den 1920er Jahren. Der Künstler, der als Richard Levy geboren wurde und seine Initialen bereits 1924 als neuen Nachnamen Errell legalisieren ließ, machte nach seiner Ausbildung zum Werbegrafiker schnell Karriere. In Berlin fand er die richtigen Bedingungen dazu. „Ihm gelang die Verbindung von Kunst und Kommerz perfekt“ sagt Roswitha Hirner.
Als einer der ersten setzte Errell die Fotografie in der Werbung ein. Wie er mit raffinierten Licht-Schatten-Effekten profane Konsumgüter wie Waschmittel oder Schokolade kunstvoll in Szene setzte, ist an gut ausgewählten Beispielen zu sehen. „In seinen Fotos spiegelt sich das moderne Frauenbild jener Zeit“ sagt Hirner. So zeigt Errell für eine Parfüm-Reklame eine nackte Frau in einem Flakon sitzend, charmant und provokant zugleich.
Bereits 1933 ging er nach Prag und vier Jahre später nach Palästina, wo er seine zweite Karriere startete. 1948 wurde er als grafischer Berater bei der neuen israelischen Regierung angestellt und machte wichtige Entwürfe für das Erscheinungsbild des jungen Staates, darunter auch die blauweiße Nationalflagge.
1961 zog er in die Schweiz und gestaltete als Schriftsteller seinen dritten Lebensabschnitt. Neben Fachbüchern über Fotografie schrieb er einen Kriminalroman und ein Buch mit dem Titel „Das Nizzani-Fragment“. „Es gibt darin eindeutige Anspielungen auf Krefeld, bis hin zu einzelnen prominenten Personen“ sagt Hirner.
1983 besuchte der immer noch quirlige alte Herr seine Heimatstadt, die ihm ein Leben lang viel bedeutete. Die WZ gab damals den Eindruck wieder, den Krefeld nach 60 Jahren auf den Künstler machte. Die Stadt sei doch baulich ziemlich „aus der Fasson geraten“. Eine stilvolle Umschreibung eines Zustandes, den er vermutlich heute nicht anders sehen würde.