Politischer Aschermittwoch Kandidaten-Fern-Duell und Puppentheater am Aschermittwoch
Krefeld · Im Jahr der Kommunalwahl nutzen die Parteien in Krefeld die Chance, am politischen Aschermittwoch eigene programmatische Ideen vorzustellen. Klare Kante in Richtung AfD zeigen zudem SPD und CDU.
Der politische Aschermittwoch hat in Krefeld eine große Tradition. Die von den Parteien sehr gepflegt wird – vor allem im Jahr einer Kommunalwahl. Sei es nun beim Bier im Gleumes (SPD), beim Fischessen im Haus Kleinlosen (CDU), beim Kasperle-Theater in der Fabrik Heeder (Grüne) oder beim Fingerfood auf der Rennbahn (FDP): Die Parteien nutzten die Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu machen. Drei präsentierten dabei auch ihre OB-Kandidaten.
Wahlsieg in Hamburg hat
der SPD Mut gemacht
Hauptredner der Sozialdemokraten im pickepackevollen Gleumes war Amtsinhaber Frank Meyer. Die stellvertretende Parteivorsitzende Ina Spanier-Oppermann (MdL) hatte zuvor bei der Begrüßung der Gäste schon die spürbare Grundstimmung wiedergegeben: Die erfolgreiche Hamburg-Wahl hat der SPD Mut gemacht, die Zeit der mitleidigen Blicke der anderen sei vorbei. Was Meyer später aufgriff: „Was in Hamburg gut funktioniert hat, kann auch in Krefeld funktionieren.“ Den stärksten Applaus des Abends holte er allerdings mit einer zweiten Aussage in Richtung AfD am Ende seiner Rede: „Mit den Sozialdemokraten wird es keinen Millimeter der Zusammenarbeit mit den Faschisten geben.“
„Die SPD in Krefeld hat die ganze Stadt im Blick“ – dies wiederholte Meyer im Laufe des Abends mehrfach. Zum Beweis führte er Projekte an, die in den vergangenen fünf Jahren unter Führung der Sozialdemokraten nach langem Stillstand angepackt worden seien. Beim Thema Schulsanierung sei man gut unterwegs, mit dem Konzept „Handeln und Helfen“ nehme man das Sicherheitsempfinden der Bürger ernst. Finanziell sei Krefeld wieder auf sichere Füße gestellt worden, auch die Themen Mobilität und Klima habe man auf den Weg gebracht.
Nur ein „Reparaturbetrieb“ wolle die SPD aber nicht sein, vielmehr habe man die Zielsetzung, die Stadt spürbar zu verändern. Meyer nannte mehrere Beispiele dafür, an welcher Stelle. So versicherte der bekennende KFC-Fan, die Grotenburg werde wieder zu einem ordentlich nutzbaren Fußballstadion gemacht. Auf die lautstark eingeworfene Frage „Wann?“ entgegnete er, an der „Geschwätzigkeit“ anderer werde er sich wegen vorhandener Absprachen nicht beteiligen.
Surfpark, Olympia in Krefeld (laut Meyer „eine riesige Chance für die Region“), ein Verwaltungsgebäude auf dem Theaterplatz, das mehr als nur Beton und Glas sei, ein neues Affenhaus im Zoo, der Ersatz für das Seidenweberhaus, das „Haus der Bildung“ und der Technologie-Campus – der OB führte viele Projekte an, die es umzusetzen gelte. Die SPD sei dabei die treibende Kraft. „Wir freuen uns auf einen tollen Wahlkampf“, rief Meyer seinen Genossen im Saal zu und erhielt auch dafür viel Beifall.
OB-Kandidatin grenzt sich
von der Werteunion ab
Das Fischessen der CDU im Haus Kleinlosen nutzte die designierte OB-Kandidatin Kerstin Jensen, um ihrer allgemeinen Bewerbung (die Nominierung durch die Partei ist für den 28. März angesetzt) ein konkretes Programm folgen zu lassen. Vor rund 160 Gästen präsentierte sie acht Leitgedanken, sowohl für die nächsten Monate als auch für ihre mögliche Zeit als erste Oberbürgermeisterin Krefelds. Diese acht Gedanken stammten vor allem aus zwei Gruppen: grundlegende CDU-Themen übersetzt für Krefeld und Missstände in der Stadt, die Jensen ausgemacht hat und die sie beheben möchte. Zudem betonte sie, dass sie Zusammenarbeit mit Kräften vom rechten und linken Rand ablehne: „Mit der AfD und der Werteunion habe ich keine gedanklichen Schnittmengen.“
Zu den christdemokratischen Klassikern in der Version Krefeld 2020 zählten Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Jensen erklärte, Sicherheit zu gewährleisten, sei die staatliche Aufgabe schlechthin. Deshalb plädierte sie dafür, den kommunalen Ordnungsdienst weiter auszubauen und „ihn ganz bewusst in Angsträume hinein“ zu schicken. Der Ordnungsdienst müsse seine Kompetenzen deutlich zeigen und auch „wirklich durchsetzen“. Die CDU-Bewerberin möchte die Wirtschaft „für den Standort Krefeld begeistern“, gleichermaßen den kleinen Handwerksbetrieb wie das große Industrieunternehmen. Das bedeute, Bürokratie abzubauen und den Service-Charakter der Verwaltung zu verbessern. „Bei der Gewerbesteuer müssen wir Maß halten“, sagte Jensen.
Zu den Missständen, die sie anführte, zählten zu viele Projekte im Rathaus. Man müsse sich auf Grundsätzliches konzentrieren statt immer neue Pilotprojekte und Initiativen zu starten. Die Verwaltung dürfe sich nicht für alles und jedes zuständig fühlen. Außerdem bemängelte Jensen, dass Krefeld zu wenig aus seinen Potentialen mache. Sie wolle den Hochschul-Standort stärken, den Anteil derjenigen, die Wohneigentum haben, erhöhen sowie öffentliche Räume erhalten und pflegen. Als besonders wichtigen Leitgedanken nannte Jensen den letzten. Er heißt „Anstand wahren“.
Politiker aller Couleur lassen
kein gutes Haar aneinander
Winzig klein und echt gemein: So viele Politiker aller Couleur wie vermutlich bei keinem politischen Aschermittwoch in Krefeld trafen in der „Kulisse“ in der Fabrik Heeder zusammen, ließen kein gutes Haar aneinander und kaum eines an Krefeld. Die mal jammernden, oft großmäuligen, meist selbstgefälligen Puppenkopien Krefelder Politiker hatten beim traditionellen Kasperle-Theater der Grünen dieses Mal ein echtes Jubiläums-Problem zu bewältigen. Und das trotz eines kurzen Gastauftritts des Klaren Hans, die Miniversion von Oberbürgermeister-Kandidat Thorsten Hansen, die 2015 zuletzt auf der Bühne gesehen worden war – das Original saß selbstverständlich zwischen den rund 100 Zuschauern.
Besagte Jubiläums-Sorgen plagen die bunte Truppe nicht, weil sich vor zehn Jahren erstmals der Vorhang fürs Kasperlespiel geöffnet hatte. Auch nicht wegen des 40-Jährigen der Grünen in Krefeld. Für trübe Gedanken sorgen 30 Jahre Wiedervereinigung und 30 Jahre Städtepartnerschaft Krefeld/Beeskow.
Obermeyer (Oberbürgermeister Frank Meyer), Blondi und Reuti (Marc Blondin und Philibert Reuters, CDU), Little Big Ben (Benedikt Winzen, SPD), Grün ist die Heidi, die Heidi ist grün (Heidi Matthias, Grüne), Herr Privatvorstaat Heitmann (Joachim C. Heitmann, FDP), die rote Socke und Bello Butz, der Wadenbeißer (Hans Butzen, SPD) finden nichts, was sie dem Partnerschafts-Komitee aus dem Osten in der Seidenstadt zeigen könnten. Vor dem Kaiser-Wilhelm-Museum ist der Platz nicht fertig. „Geht also nicht“, heißt es im Chor mit dem Publikum. Das neue Stadthaus zeigen? Den maroden Eiermannbau? Den Prachtboulevard Ostwall ohne fertige Haltestelle? Alles nicht fertig. „Geht also nicht.“ Philadelphiastraße, Rheinblick, Stadtbad Neusser Straße, Grotenburg?
Da müssen erst zwei Heilige kommen, um die deprimierte Truppe weiterzubringen. Dionysius tadelt und motiviert zugleich: „Oh, ihr armen Wichte, das habt ihr nun von eurer jahrzehntelangen Nichtstuerei. Doch verzagt nicht, ich weiß eine Lösung.“ Das Pilgern zum heiligen Kapuzinerberg und die Begegnung mit Petrus bringen die Idee: Virtual-Reality-Brillen eines Krefelder Start-ups müssen her – auch wenn Grün ist die Heidi nicht herausfinden kann, wie deren Kohlendioxid-Fußabdruck zu Buche schlägt. Die Besucher aus den neuen Bundesländern werden von der Polit-Delegation gleich an der Autobahnabfahrt Oppum abgefangen, damit sie statt realer Welt die Schönheiten eines Krefelds genießen können, wie es einmal sein könnte.
Am Ende geht alles schief, die Akkus leer, das Bild trist. Das können auch die Bauhaus-Bauten Haus Lange und Haus Esters und die Burg Linn nicht retten. Eine Kraft von oben muss stattdessen eingreifen. Dionysius verweist auf die Vorzüge Krefelds, auf Stadtwald, Zoo, reizvolle Wohngebiete, Campus Fichtenhain oder das „außerordentliche Engagement“ unzähliger Bürger, das mache Krefeld aus. Ein gnädiges Ende für das, wie man munkelt, letzte Aschermittwochs-Puppentheaterstück.