Interview Hausärzten fehlt Schutzkleidung für Corona-Tests

Krefeld · Bernhard Lüdemann über das obere Ziel, die breite gesundheitliche Versorgung nicht durch drohende Schließung von Praxen zu gefährden.

 Bernhard Lüdemann möchte sicherstellen, dass durch Corona-Infizierte nicht Praxen von Quarantäne betroffen werden. Denn die Schutzkleidung in Praxen fehlt.

Bernhard Lüdemann möchte sicherstellen, dass durch Corona-Infizierte nicht Praxen von Quarantäne betroffen werden. Denn die Schutzkleidung in Praxen fehlt.

Foto: Ja/Andreas Bischof

Hausärzte sind für Patienten bei Krankheitssymptomen bislang immer die erste Anlaufstelle gewesen. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie können diese den Ansturm in der jetzigen Form alleine nicht bewältigen, zumal es an der notwendigen Schutzausrüstung fehlt. Deshalb hat die Stadt Krefeld in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Krefeld am vergangenen Freitag das Diagnosezentrum an der Schwertstraße 80 eröffnet.

Noch gibt es Anlaufschwierigkeiten. Während die Stadt diese Anlaufstelle als Zusatzangebot in der Krise versteht, sehen die Ärzte bei der Durchführung der Tests vorrangig die Stadt in der Pflicht. Wieso das so ist und wo momentan noch die Probleme liegen, darüber hat unsere Redaktion mit dem niedergelassenen Internisten Dr. Bernhard Lüdemann gesprochen.

Sie haben einen sogenannten Brandbrief an Oberbürgermeister Frank Meyer geschrieben, in dem Sie die Stadt bei der Durchführung der Tests in die Verantwortung nehmen. Wieso?

Bernhard Lüdemann: Aus unserer Sicht und auch sonstiger höherer ärztlicher Gremien ist für die Seuchenbekämpfung – und darum handelt es sich bei der jetzigen Corona-Pandemie – sowie der Feststellung der Infektionen mittels Durchführung der Abstrichuntersuchungen eindeutig der Staat in Form der Landesgesundheitsämter und der Städte zuständig.

Die Stadt hat in einer ihrer täglichen Pressekonferenzen die Bundesärztekammer zitiert, wonach ganz klar das Gesundheitssystem für Probeentnahmen und die Betreuung von Patienten zuständig sind. Das gelte auch für Pandemien wie Influenza. Ist da ein Unterschied?

Lüdemann: Die Seuchenhygiene ist Aufgabe des Staates, wir als Ärzte müssen uns kümmern um die Behandlung der kranken Menschen und die Praxen am Laufen halten. Wenn wir in den vergangenen Wochen selbstverständlich Abstriche bei unseren Patienten durchgeführt haben, sollte dies nur der ersten Entspannung der Lage dienen. Da wir jedoch trotz wiederholter drängender Nachfrage keine ausreichende Schutzkleidung dafür erhalten, können wir dieses Angebot nicht weiter aufrecht erhalten.

Was für Schutzkleidung benötigen Sie für diese Aufgabe?

Lüdemann: Einen Ganzkörper-Schutzanzug, Atemmaske und Handschuhe. Aber selbst NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bekommt die derzeit nicht. Die wenigen, die es derzeit gibt, sollten in den Diagnose-Zentren möglichst effektiv genutzt werden, um mit einem Anzug und Atemmaske möglichst viele Tests durchzuführen.

Haben die niedergelassenen Ärzte denn nicht grundsätzlich Atemmasken in ihrem Bestand?

Lüdemann: Nein, die werden von der Krankenkasse nicht bezahlt und haben ein rasches Verfallsdatum. Deshalb hat ein jeder Arzt nur eine sehr begrenzte Anzahl vorrätig, beispielsweise für Tuberkulose-Patienten. Anfangs konnten wir deshalb noch unsere eigenen Patienten bei Verdacht auf Corona darauf per Abstrich testen. In meinen Augen hat der Staat hier an der Stelle versagt. Seit Januar ist die mögliche Entwicklung einer Pandemie bekannt, der Staat hätte Bestände vorhalten müssen. Und deshalb können wir nicht testen.

Testen Sie in der Regel denn nicht auch bei Influenza-Verdacht?

Lüdemann: Die breit geforderten Abstriche, wie in der jetzigen Situation gefordert, gibt es bei Influenza nicht. Nur bei therapeutischen Maßnahmen, wie Verdacht auf Lungenentzündung; das hat dann auch eine therapeutische Konsequenz.

Auch eine echte Grippe ist sehr gefährlich, vor allem für geschwächte Menschen. Deshalb wird ja jedes Jahr zur Grippeschutz-Impfung aufgerufen. Worin liegt der Unterschied von Influenza und einer Corona-Erkrankung?

Lüdemann: Bei der jährlichen Influenza ist die Sterblichkeit viel geringer. Bei den Influenza-Wellen jedes Jahr schätzt man eine Sterberate von ein bis zwei Verstorbenen auf 1000 Infizierte, das sind 0,1 bis 0,2 Prozent. Die Durchseuchung der Bevölkerung (redaktionelle Anmerkung: und damit deren Immunität) ist viel höher, als bei dem jetzigen neuen Corona-Virus SARS-CoV-2. Deshalb ist bei der Influenza die Sterblichkeitsrate auch niedriger.

Was bedeutet das für die Bevölkerung?

Lüdemann: Im Laufe der nächsten zwei, drei Jahre werden sicherlich 70 bis 80 Prozent infiziert sein, viele mit harmlosen Symptomen – und danach sind viele dann immun. 20 Prozent davon werden allerdings schwerer erkranken und einige davon intensiv-pflichtig, das heißt: schwerstkrank. Das Hauptziel aller Maßnahmen jetzt ist es, diese Zeitachse der Ansteckung auseinander zu ziehen, um allerorts die Kapazitäten zu haben, Schwerstkranke zu behandeln. Jeder Monat, der ruhiger vergeht, führt uns einer Therapie näher. Das ist ein globales Problem, was wir auch global lösen müssen.

Ist es nicht deshalb so wichtig, potenziell infizierte Corona-Patienten und ihre Kontaktpersonen zu erkennen und zu isolieren?

Lüdemann: Ja. Ziel muss es aber auch sein, die Ausbreitung des Virus in Arztpraxen und Kliniken zu minimieren, damit weiterhin die breite gesundheitliche Versorgung der Krefelder Bürger gewährleistet ist. Daher sollte das Diagnosezentrum, das mit Krefelder Ärzten besetzt ist, als primäre Anlaufstelle dienen. Ansonsten riskieren wir, dass unsere Praxen, welche ungeschützt einen positiven Test abgenommen haben, für 14 Tage geschlossen werden müssen. So geschehen in Heinsberg, wo die Zahl der mit Corona-Infizierten nach Karneval in die Höhe geschnellt ist. Dort mussten vier Hausarztpraxen gleichzeitig schließen. Wie schwer es dadurch wird, Patienten mit anderen ernsten Erkrankungen ausreichend zu behandeln, können Sie sich vorstellen. Darüber hinaus sind wir auch unseren Mitarbeitern verpflichtet und können nicht deren Gesundheit und Leben durch ungeschützte Untersuchungen gefährden.

Der Ansturm auf das Diagnosezentrum (Telefon 86 19 700) ist laut Stadt höher als erwartet. Die personellen Kapazitäten dort sind aufgestockt, dennoch müssen Anrufer Geduld mitbringen, bis sie jemanden am anderen Ende der Leitung haben. Könnte man das in Krefeld nicht wie beispielsweise in Kempen entzerren?

Lüdemann: Ja, dort gibt es „Drive-In-Schalter“ für Corona-Tests, wo Menschen mit dem Auto vorfahren können, die dafür eine Überweisung des Hausarztes haben. Ich plädiere dafür, dass Menschen mit Symptomen – möglicherweise ja auch der Jahreszeit geschuldeten Atemwegserkrankungen – zunächst ihren Hausarzt telefonisch kontaktieren und besprechen, ob sie ein paar Tage zuhause bleiben und sich auskurieren oder sich bei ernsthaftem Verdacht auf Corona und Aufenthalt in einem Risiko-Gebiet beim Diagnose-Zentrum melden.

Anmerkung der Redaktion: Am Mittwoch hat es ein Treffen aller Beteiligten bei der Stadt gegeben. Es besteht laut Kassenärztlicher Vereinigung nun Einigkeit darüber, dass das Diagnosezentrum als primäre Anlaufstelle dient, Corona-Abstriche aber auch in den Arztpraxen durchgeführt werden, sofern sie mit entsprechender Schutzkleidung ausgestattet sind.