Kultur Mahlers „Dritte“ wurde in Krefeld uraufgeführt
Krefeld · Serie Kultur trotz Corona – diesmal empfehlen wir klassische Musik des Komponisten, die am 9. Juni 1902 in der historischen Stadthalle bejubelt worden war.
Eigentlich wäre Ende März Anfang Februar Gustav Mahlers „Das klagende Lied“ einer der Höhepunkte der Konzertsaison der Niederrheinischen Sinfoniker und des Niederrheinischen Konzertchores gewesen. Doch der Vorstellungsbetrieb ist wegen Corona – so der aktuelle Stand – bis zum 19. April eingestellt und somit fällt auch das 5. Sinfoniekonzert unter der Leitung von Mihkel Kütson aus. Große Hoffnungen dürften darin liegen, dass man diese verlorenen kulturellen Höhepunkte irgendwann mit Freude wird nachholen können.
Die entbehrungsreiche Zeit – und wir dürfen hier gerne auch mal den Mangel an Kultur als einen großen Einschnitt konstatieren – kann man aber überbrücken. Es gibt gerade jetzt die Gelegenheit dazu, sich vielleicht an den heimischen Medien, die eine oder andere musikalische Entdeckung zu Gemüte zu führen. Natürlich, man kann sich eine schöne Aufnahme von Mahlers „Das klagende Lied“ anhören. Beispielsweise die Einspielung mit Bernard Haitink mit dem Concertgebouw Orchestra aus 1966, die auf einer Platte gepaart mit der 3. Sinfonie Mahlers bei Philips veröffentlicht wurde.
Und eben jene dritte Sinfonie Mahlers hat einen sehr besonderen Krefelder Bezug, den wir hier gerne kurz skizzieren wollen, natürlich verbunden mit der Empfehlung, sich doch mal dieser großartigen, tiefgründigen und überaus mitreißend romantischen Musik zu widmen.
Mahler – der Dirigenten-Komponist – arbeitete an seiner „Dritten“ ab 1892. 1896 dürfte das Werk vollendet gewesen sein und ab diesem Zeitpunkt kam es auch zu verschiedenartigen Aufführungen einzelner Sätze des großen Werkes, das auf besondere Weise die musikalische Kosmologie Mahlers spiegelt. Jeder der schließlich in der Endfassung sechs Sätze widmet sich einem „Wesenszug“ unserer Welt. Von der starren kalten, gewaltig empor türmenden Natur, über die Flora und Faune bis hin zum Menschen in seiner metaphysischen Zweigestalt und schließlich über die naiv-halb-göttliche Welt der Engelein der Weg zu Gott selbst – in Mahlers Fall der Kraft der „Liebe“.
Die „thematisch“ passenden Namen der Sätze ließ Mahler indes fallen, der hinter dem programmatisch wirkenden Vorbau verborgene musikalische Inhalt blieb. Und eine mit allen klanglichen Mitteln seiner Zeit – hochpersönlich in seiner Mischung aus Erinnerungen und Zitaten – geschaffene große Sinfonie, die viel von der Sprache enthält, die viele von uns heute von dem Hollywood-Sound her gut kennen.
Die Uraufführung 1902 in
Krefeld wurde bejubelt
Die Uraufführung der Sinfonie als Ganzes indes fand am 9. Juni 1902 in der historischen Stadthalle der Stadt unter Mahlers Leitung statt. Als das vierte Konzert der 38. Ausgabe der Tonkünstler-Versammlung zu Krefeld, abends um acht Uhr. Es spielten gemeinsamen die Crefelder (städtische) Kapelle und das Gürzenich-Orchester. Für den fünften Satz vorgesehenen Frauen und Knabenchor sangen der Krefelder Oratorien-Verein und der Knabenchor von St. Anna. Das Alt-Solo sang Louise Geller-Wolter. Laut der Mahler-Foundation befanden sich im Publikum unter anderem neben Mahlers Frau Alma, Namen wie Richard Strauss, Engelbert Humperdinck, Eugen d‘Albert und der Erstkontakt zwischen dem Dirigenten und Komponisten Willem Mengelberg (1871-1951) und Mahler ist für diesen Konzertabend verbürgt.
Das Konzert, die Uraufführung, soll ein überwältigender Erfolg gewesen sein – Mahler sei zwölfmal beim Schlussapplaus zurück auf das Podium gerufen worden sein. Solchen Enthusiasmus kennen wir bei „klassischen“ Konzerten heute leider nicht mehr wirklich. Leider können wir die Stimmung in der alten Stadthalle nicht mehr wirklich rekonstruieren – vielleicht nur in unserer Fantasie; und jetzt gerade ist doch die Zeit für die Fantasie gekommen?
Neben der oben schon erwähnten Aufnahme mit Haitink möchten wir eine ganz frische empfehlen, die in der Nachbarstadt, in Düsseldorf, entstanden ist und für die die Düsseldorfer Symphoniker und ihr Chefdirigent Ádám Fischer sogar einen OPUS Klassik erhalten haben. Und in der Tat strahlt diese Aufnahme eine Qualität aus, die Mahlers Musik emphatisch aus der Wiener Tradition heraus begreift. Ein Blick auf Mahlers Musik, die Fischer von anderen Interpreten abhebt. Fischer spielte die „Dritte“ 2017 in der Tonhalle unter Mitwirkung des Clara-Schumann-Jugendchors und dem Frauenchor des Städtischen Musikvereins mit Anna Larsson als Solistin ein. Die Aufnahme bei Avi (Coproduktion Tonhalle und Deutschlandfunk) kann bei den bekannten Streamingdiensten wie Spotify angehört werden.