Jahresbilanz der Arbeitsagentur Kurzarbeit rettet den Krefelder Arbeitsmarkt im Corona-Jahr
Krefeld · Oft unerfreulich verlief die Entwicklung des Krefelder Arbeitsmarktes im vergangenen Jahr. Corona hinterließ dort Spuren.
Bettina Rademacher-Bensing, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Krefeld, blickt auf ein schwieriges Jahr zurück. „Sehr unerfreulich“ nennt sie die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Krefeld und dem Kreis Viersen in den vergangenen zwölf Monaten. In Zahlen bedeutet dies: Ende Dezember waren etwa 3400 Personen mehr ohne Beschäftigung als im Dezember 2019. Und auch im Jahresdurchschnitt lag die Zahl der Arbeitslosen mit 23 292 klar über dem Vorjahr mit 20 850. Der Grund liegt auf der Hand: Die Corona-Pandemie hat ab März spürbare Folgen auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen.
In „normalen“ Jahren gibt es im Frühling eine deutliche Belebung auf dem Arbeitsmarkt. Doch diese ist 2020 völlig ausgeblieben. Ganz im Gegenteil: Die Arbeitslosenquote schnellte ab März mit dem Beginn des ersten Lockdown nach oben, erreichte ihren Höchststand im August und ist danach allmählich wieder abgesunken. Im gesamten Agenturbezirk liegt sie derzeit bei 8,3 Prozent (Vorjahr: 7,1) – in der Stadt Krefeld komme man mit 11,2 Prozent (Vorjahr: 9,8) sogar auf eine „satte Zweistelligkeit“, so Rademacher-Bensing in ihrer Jahresbilanz. Selbst die Geschäftsstelle in Kempen, sonst „Vorzeige-Ländle“ für die Agentur-Chefin, musste einen Zuwachs von 3,9 auf 4,9 Prozent verkraften. Insgesamt kommt der Kreis Viersen auf 9766 Arbeitslose (6,0 Prozent).
39 800 Menschen haben
eine neue Arbeit gefunden
Ebenso unerfreulich: Auch die Beschäftigung im Agenturbezirk liegt nicht mehr länger auf Rekordniveau. Aktuell sind 189 355 Menschen in Lohn und Brot, ein Minus von 1504 Personen gegenüber dem Vorquartal. Gleichwohl spricht Rademacher-Bensing von einer „gewissen Dynamik“ auf dem Arbeitsmarkt. Und verweist darauf, dass sich 2019 zwar knapp 43 100 Frauen und Männer arbeitslos melden mussten, aber auch 39 800 eine neue Arbeit beginnen konnten. Was aber immer noch 10 000 weniger als im Jahr 2019 sind.
„Die Arbeitslosigkeit stieg 2020 nicht, weil viele Personen von ihren Arbeitgebern freigestellt wurden, sondern weil weniger Personen eine Arbeit aufnehmen konnten“, bilanziert Rademacher-Bensing. Noch schlimmere Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt konnten vor allem durch die Kurzarbeit verhindert werden. Der Höchststand lag im April, als knapp 51 000 Personen entsprechend gemeldet wurden – tatsächlich sind dann nur knapp 30 000 in Kurzarbeit gegangen. „Mit Sorge“ beobachtet die Agentur-Chefin den Anteil der Neuanzeigen. Er ist – nach einem deutlichen Abfall bis zum Spätsommer – vor allem im November und Dezember wieder stetig auf zuletzt 378 angestiegen.
Ein Plus von 199 Personen bei den jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren (die Quote steigt von 4,7 auf 5,5 Prozent) gehört ebenso zu den unerfreulichen Entwicklungen wie ein deutlicher Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Gegenüber dem Dezember des Vorjahres liegt die Zahl um 1971 höher bei aktuell 10 276 Personen. Insgesamt sind 14 852 Arbeitslose in Betreuung der Jobcenter – 986 mehr als im Vorjahr.
Keine Überraschung: Die höchsten Anstiege bei den Arbeitslosenzahlen gab es im Bereich der kaufmännischen Dienstleistungen, im Einzelhandel und bei der Zeitarbeit. Die Auswirkungen der Lockdowns auf die Gastronomie sind nach Auskunft von Rademacher-Bensing oft nicht sichtbar, da hier vielfach geringfügig Beschäftigte auf 450-Euro-Basis eingesetzt würden, die in der Statistik gar nicht auftauchen.
Die Zahlen sähen wohl noch schlechter aus, wenn es nicht zu einer (wenn auch schwächeren) Herbstbelebung gekommen wäre. Relativ robust hat sich dabei nach den Worten von Klaus Churt (DGB), Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Agentur in Krefeld, die Industrie erwiesen. Ein positives Signal geht auch von den Stellenzugängen aus, die Ende Dezember im Vergleich zum Vorjahr knapp 800 betrugen.
Vorsichtig optimistische Wirtschaftsprognosen für das Jahr 2021 lassen die Agentur-Chefin hoffen, dass sich die insgesamt stabile Entwicklung der letzten Monate fortsetzen kann. Aber: „Für die nächsten zwei Monate rechnen wir saisonbedingt mit höheren Werten bei der Arbeitslosigkeit.“ Außerdem will sie aber auch nicht ausschließen, dass mögliche Folgen des zweiten Lockdown auf örtlichen Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie und Friseure erst in den nächsten Monaten sichtbar werden.
Sie und Churt heben die Bedeutung von Aus- und Weiterbildung hervor. Den Ausbildungsmarkt bezeichnet der DGB-Vertreter als Sorgenkind, hier sei die Zahl der Bewerber um 13,4 Prozent und die Zahl der angebotenen Plätze um zehn Prozent gesunken. Zu hoffen sei, dass sich dies im Frühjahr wieder bessert. Eine Besonderheit des vergangenen Corona-Jahres war, dass Ausbildungsaufnahmen noch bis in den Januar möglich sind.
„Die Arbeitswelt hat sich pandemiebedingt wie in einem Brennglas verändert“, lautet die Gesamtbilanz von Bettina Rademacher-Bensing für das Jahr 2020. Digitale Prozesse seien beschleunigt, der Trend zum Homeoffice verstärkt worden. „Qualifikation ist der Schlüssel, Menschen dauerhaft in Beschäftigung zu bringen“, betont Churt.