Immobilien Krefeld: Schwierige Wohnungssuche mit türkischem Namen
Bockum · Selda Bozkurt-Bölükbas findet für ihren Vater Mehmet keine neue Bleibe. Dabei ist er Deutscher. Diese Diskriminierung ist kein Einzelfall, wie eine Umfrage zeigt.
Selda Bozkurt-Bölükbas versteht die Welt nicht mehr. Die 45-jährige Krankenschwester sucht in Bockum seit Monaten für ihren Vater eine Wohnung, kommt aber keinen Schritt weiter. „Die Vermieter, Makler und Verwalter melden sich nicht zurück. Oder sie sagen Termine ab und behaupten, die Wohnung sei nicht mehr frei“, erzählt Bozkurt-Bölükbas. „Das stimmt aber nicht, im Netz werden sie weiter angeboten. Wir fühlen uns benachteiligt, weil wir einen türkischen Namen tragen“, sagt die Bockumerin, die in Krefeld geboren und aufgewachsen ist.
Ihr Vater Mehmet Bozkurt lebt seit 52 Jahren in Deutschland. Der 75-Jährige hat türkische Wurzeln, aber einen deutschen Pass. Viele Jahre war er im Presswerk Krefeld in Linn beschäftigt. Längst ist Deutschland seine Heimat geworden. „Wir sind Krefelder, aber wir werden diskriminiert“, meint seine Tochter. „Das macht mich sehr traurig.“
83 Prozent glauben, rassistische Diskriminierung zu kennen
Dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt, dokumentiert eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Demnach sind 35 Prozent aller Menschen mit Migrationshintergrund, die in den vergangenen zehn Jahren auf Wohnungssuche waren, schon einmal rassistisch diskriminiert worden.
Den meisten Menschen in diesem Land ist das Problem durchaus bewusst. 83 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass rassistische Diskriminierung während der Wohnungssuche häufig vorkommt. Damit ist der Wohnungsmarkt jener Lebensbereich, in dem mit Abstand am meisten Befragte ein solches Problem vermuten. Gleichzeitig äußerten 29 Prozent von ihnen sehr große oder große Bedenken, wenn in der Nachbarwohnung eine Person einziehen würde, die eingewandert ist. 41 Prozent sagten, sie hätten Bedenken, eine eigene Wohnung an eine solche Person zu vermieten.
Dass Menschen bei der Wohnungssuche wegen ihres ausländischen Namens benachteiligt werden, hält Michael Heß dagegen für Ausnahmefälle. „Entscheidend ist der persönliche Kontakt“, so der Geschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus & Grund Krefeld/Niederrhein. „Wir vertreten vor allem private Kleinvermieter“, berichtet Heß. „Für die sind bei der Auswahl neuer Mieter Angaben zum Einkommen, eine Schufa-Auskunft und vor allem der persönliche Eindruck entscheidend, nicht der ausländisch klingende Name“, meint der Anwalt. „Da hat der türkische Chefarzt völlig unabhängig von seinem Namen natürlich bessere Chancen, als der deutsche Hartz-IV-Empfänger.“
Wer wie Selda Bozkurt-Bölükbas von Maklern, Verwaltern oder Vermietern bei der Wohnungssuche keine Antwort oder nur Absagen bekommt, kann sich juristisch nicht dagegen wehren. Eine Begründung für die Nicht-Beachtung muss niemand geben.
Das Recht auf Schadensersatz, Entschädigung oder Unterlassung gibt es nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nur dann, wenn die Diskriminierung offensichtlich ist. Wenn es im Wohnungsanzeigen zum Beispiel heißt: „Wir vermieten nicht an Ausländer.“ Oder wenn der Vermieter sagt, dass er keine Ausländer in seiner Wohnung möchte. Aber: Einen Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages haben Betroffene auch in diesen Fällen nicht.
Laut Roman Bühner-Lomberg vom Krefelder Immobilienmakler Lomberg spielt es keine Rolle, ob ein möglicher Mieter einen Migrationshintergrund hat. Aus seiner Sicht gibt es „keinen nachvollziehbaren Grund“, Menschen als Mieter auszugrenzen, weil sie einen ausländischen Namen haben.
Das Unternehmen Lomberg vertrete viele Hausverwaltungen sowie kleine und mittelständische Investoren, die oftmals selbst in der Immobilie, zum Beispiel einem Mehrfamilienhaus, eine Wohnung hätten. Hier seien der persönliche Kontakt und das Miteinander entscheidend.
Bühner-Lomberg verweist zudem darauf, dass der Markt in Krefeld völlig anders funktioniere als in Düsseldorf, Köln oder Hamburg. In Krefeld gebe es auf eine Wohnungsanzeige eben nicht 50, 100 oder mehr Bewerber. „Wir mussten feststellen, dass Termine immer mehr von den Interessenten nicht eingehalten oder abgesagt werden.“ Wenn zwischen Makler und Interessent ein Termin zur Besichtigung einer Wohnung vereinbart sei, sollten beide Seiten sich daran halten.
Makler Lomberg: Interessenten halten Termine nicht ein
Um nicht vergeblich vor Ort zu sein, versendet Lomberg zwei Stunden vor den geplanten Terminen zur Erinnerung eine SMS. Bei Mietwohnungen werden die Interessenten 30 Minuten vorher nochmal angerufen. „Wir haben intern beschlossen, dass die Besichtigung von unserer Seite nicht stattfindet, wenn sich niemand auf diesen Anruf meldet.“ Dennoch komme es zunehmend vor, dass der Interessent trotz SMS und telefonischer Termin-Bestätigung nicht erscheine.
Von solchen Schwierigkeiten ist Selda Bozkurt-Bölükbas weit entfernt. Sie hätte gerne Besichtigungstermine, bekommt aber keine. Einen anderen Grund als ihren türkischen Namen kann sie dafür nicht erkennen. „Nachdem ich seit Monaten vergeblich suche, bin ich total entsetzt und will mir das nicht mehr gefallen lassen. Wir sind doch alle Bürger dieses Landes und dieser Stadt.“