Kulturfabrik Humor als Wutdrucksenker

Krefeld · René Steinberg zeigte Wege auf, wie man den Absurditäten des Alltags erfolgreich begegnet.

René Steinberg in der Krefelder Kulturfabrik.

Foto: Mark Mocnik

„Make Humor great again“, warb Kabarettist und Moderator René Steinberg am Mittwochabend in der Kulturfabrik mit seinem Programm „Freuwillige vor – wer lacht, macht den Mund auf“. Schließlich sei öffentlicher Humor bis heute in allen Diktaturen verboten, während er in Deutschland erlaubt sei. Und womit sonst könne man in unserer aufgeheizten Zeit den Querdenkern und Verschwörungstheoretikern wie einem Vegan-Koch Attila Hildmann und einem Jammersänger Xavier Naidoo mit all ihrer Wut bei Demonstrationen und in den sozialen Netzwerken begegnen? Mit Schimpfen, Alu-Hut aufsetzen? Sein Kommentar: „Auch Blödheit kann ein Virus sein.“ Seine Empfehlung: „Gemeinsam statt gemein sein. Wir brauchen mehr Humor.“ Als Waffe gegen die „Beklopptheiten“ und Widrigkeiten des Lebens. Und gegen die weit verbreitete „Miesepetrigkeit“.

Noch bevor der Literaturwissenschaftler mit seinem Programm begann, versicherte er glaubhaft, wie froh er darüber ist, endlich wieder auf einer Bühne zu stehen und seinem Beruf nachgehen zu dürfen. Er habe die ersten Monate nach Pandemiebeginn im Kreis der Familie genossen, aber nun sei es genug. „Ich trage meine Familie im Herzen, ich muss sie aber nicht ständig vor Augen haben“, sagte er mit einem Augenzwinkern und Blick auf seine pubertierenden Kinder. Das Verständnis des Publikums ist ihm gewiss und auch dessen Beifall, als er von den geänderten Sitten im Umgang mit dem digitalen Nachwuchs berichtet. Früher habe es geheißen: „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst du, was ich sage.“ Heute beginne das Machtwort mit: „Solange du mit deinem Smartphone in meinem WLAN unterwegs bist.“ Nicht nur in den Familien, auch sonst habe sich vieles verändert. „Die Golden Ager, unsere Rentner, steigen vom Rollator aufs E-Bike um und kacheln mit 40 km/h durch die Natur. Der Opa geht heute nicht mehr ins Altersheim, nein, der sitzt im Weißen Haus und twittert.“

Er trifft den Lach-Nerv,
ohne zu verletzen

Wobei Steinberg wieder bei der Politik angekommen ist und sich den Alpharüden und Chauvinisten widmet. Zum Beispiel Putin, der gerne martialisch mit freiem Oberkörper auftritt – „wovor uns unsere Kanzlerin gottlob verschont“. Alltägliche Absurditäten erlebe man im TV. So mache man doch den Bock zum Gärtner, wenn Dieter Bohlen als Repräsentant für gute Musik als Juror auftrete. Lustig machte sich der Humorist auch auf Schwäbisch über die Seitenbacher-Müsli-Werbung, was ihm sogleich einen witzigen Wortwechsel mit einer schwäbischen Besucherin aus Moers „mit Visum für Krefeld“ einbrachte. Eine von Steinbergs Stärken ist der wohlwollende interaktive Kontakt mit dem Publikum inklusive einer allumfassenden Bühnenpräsenz. Er hält ihm den Spiegel vor, bleibt aber auch stets selbstkritisch. Der Ruhrgebietsmensch tut keinem weh, ist stets freundlich und vor allem menschlich. Kurz: Er trifft den Lach-Nerv, ohne zu verletzen. So auch im schlagfertigen Gedankenaustausch mit einer Lehrerin aus dem Publikum.

Der Künstler ist omnipräsent. Er tritt in den nächsten Monaten gefühlt auf allen Kleinkunstbühnen in NRW auf. Die sind zumeist ausverkauft, was in der Kufa am Mittwoch Corona-bedingt rund 160 Besucher bedeutete. In Krefeld ist er seit Jahren ein gern gesehener Gast, der mit seiner Vielseitigkeit überzeugt. So singt er, tanzt und rappt mit einer Leichtigkeit über die Bühne, die man ihm kaum zugetraut hätte. Und spart nicht an deeskalierenden Tipps. „Wenn dein Kind nicht ins Bett will und mit den Fäusten auf den Boden trommelt, schmeiß dich daneben, trommle und nöle mit. Es wird in den nächsten Tagen freiwillig ins Bett gehen.“

Auch zum Abschied fand Steinberg den richtigen Ton. „Das meiste, was sich Menschen in letzter Zeit gewünscht haben, war eine Umarmung von Freunden und ein schöner Life-Abend in guter Gesellschaft.“