Kommentar Warum die Krefelder anders gewählt haben als erwartet

Meinung | Krefeld · Die CDU und ihre Oberbürgermeisterkandidatin Kerstin Jensen sind mit einem blauen Auge davongekommen. Sie haben mit einem respektablem Ergebnis die Stichwahl erreicht. Das war nicht von allen erwartet worden.

Annette Ludwig, WZ Redakteurin für Nachrichten/Wirtschaft/Kultur. Foto: Sergej Lepke

Foto: Sergej Lepke

Jensen hatte keine einfache Ausgangsposition. Sie war recht unbekannt in der Stadt, hatte wenig politische Erfahrung, saß nicht im Rat, war nicht besonders gut vernetzt. In öffentlichen Auftritten wirkte sie oft blass. Dazu kam die Corona-Pandemie, die den Wahlkampf enorm erschwert hat. Ihr blieb nicht viel Spielraum, um ihren Bekanntheitsgrad stark zu steigern. Dennoch: In einer Stadt, die jahrzehntelang von der CDU regiert wurde, sind gut 27 Prozent bei der OB-Wahl keine Glanzleistung. Zumal bei den Wählern eher die Partei gezogen haben dürfte. Das zeigen auch die guten Ergebnisse bei der Ratswahl. Damit allein kann aber keiner zufrieden sein. Die CDU braucht neue Köpfe.

Thorsten Hansen, der grüne Kandidat, dürfte hingegen tief enttäuscht sein. Er hatte sich gute Chancen ausgerechnet, in die Stichwahl gegen Amtsinhaber Frank Meyer zu kommen. Hansen hoffte zum einen auf die grüne Erfolgswelle, die auch bei dieser Wahl hochschwappte. Aber nicht allein darauf. Er war schon bei der vergangenen Oberbürgermeister-Wahl angetreten und hatte damals als noch unbekannter Kandidat auf Anhieb 15 Prozent der Stimmen geholt. Fünf Jahre später, profilierter und bekannter in der Stadt, hatten er und seine Partei schon damit gerechnet, dieses Ergebnis deutlich steigern zu können. Zumal Umwelt- und Klimapolitik sowie die Digitalisierung seine Themen waren. Themen, die auch bei vielen Bürgern im Fokus sind. Am Ende standen erneut gut 15 Prozent. Dass die grüne Basis in der Stadt größer ist, zeigen die Ergebnisse der Ratswahl.

Amtsinhaber Frank Meyer konnte den Wahlkampf eher gelassen angehen. Mit dem Amtsbonus im Rücken hat er sich als Corona-Krisenmanager profiliert, war dadurch in der Stadt mehr präsent als die anderen Kandidaten. Insgeheim dürfte der ein oder andere SPD-Anhänger zwar auf die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang gehofft haben. Dass Frank Meyer in die Stichwahl muss, dürfte vor allem daran liegen, dass im ersten Wahlgang gleich neun Oberbürgermeister-Kandidaten angetreten sind und sich die Stimmen entsprechend verteilt haben. Und: Zuletzt hatte es schon das ein- oder andere Grummeln über seine Politik gegeben, etwa bei den Themen Sicherheit, Sauberkeit und Digitalisierung. Frank Meyer hat ein ordentliches, aber kein glänzendes Ergebnis erzielt. Er hat vor allem mit seiner Persönlichkeit gepunktet. Denn die Krefelder SPD konnte sich dem landesweiten Abwärtstrend nicht entziehen. Gänzlich zurücklehnen kann sich der Amtsinhaber nicht. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Am 27. September wird es das Duell Frank Meyer gegen Kerstin Jensen geben. Aber Meyer geht mit einem satten Vorsprung ins Rennen – und hat beste Chancen auf eine zweite Amtszeit.

Zwei Erkenntnisse dieser Oberbürgermeisterwahl dürften für alle demokratischen Bewerber bitter sein: Martin Vincentz von der AfD erreicht mit mehr als 4000 Stimmen Platz 4 und liegt damit deutlich vor Joachim C. Heitmann von der FDP. Und die Wahlbeteiliung bleibt erneut unter 50 Prozent. Darüber wird zu reden sein. Und daraus müssen Schlüsse gezogen werden.