Abschlussarbeiten an der Hochschule Niederrhein Möbel aus Sicherheitsgurten und Hunde werden durch Kleidung zu Helfern

Krefeld · In diesem Jahr konnten wegen der Corona-Pandemie die Abschlussarbeiten des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik nur digital vorgestellt werden. Die Kreativität hat das eher noch beflügelt.

Nachhaltige Outdoor-Möbel aus Automobil-Sicherheitsgurten. Ein Start-up von Carolin Franitza und neun weiteren Studierenden des Textil- und Bekleidungsfachbereichs der Hochschule Niederrhein.

Foto: Hochschule Niederrhein/Christopher Herauf Hochschule Niederrhein

Knapp zweieinhalb Monate hatten die Studierenden des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik an der Hochschule Niederrhein nur Zeit für ihre Abschlussprojekte. Und das während der Corona-Pandemie und Schließung aller Hochschulräume. Besondere Situationen beflügeln aber oftmals auch die Fantasie. Und so sind laut Professorin Dr. Kerstin Zöll, die den Projekte-Steuerkreis koordiniert, auch ganz besondere, erfolgreiche Arbeiten dabei herausgekommen: Vom smarten Babyschlafsack über nachhaltige Kollektionen für Mensch und Tier bis hin zu kreativen Projekten für die Entwicklungsförderung von Kindern. Die WZ stellt expemplarisch für die 20 Teams zwei Projektarbeiten vor.

Aus alten Auto-Sicherheitsgurten entstehen Outdoor-Möbel

Modell gestanden für die Hundekollektion für Therapiehunde hat Henry, der Hund von Nina Arnolds.

Foto: Hochschule Niederrhein/Nina Arnolds Hochschule Niederrhein

Die Projektteams konnten sich ihr Thema nicht selber aussuchen. In den sogenannten Fünf-Semester-Projekten wird ein willkürliches Thema zugewiesen, das entweder von Firmen oder Personen außerhalb der Hochschule vorgeschlagen wird oder von einem Professor der Fakultät. Studierende verschiedener Fachbereiche arbeiten darin zusammen und verteilen selber untereinander die verschiedenen Aufgaben, die für die Realisierung notwendig sind.

Die Idee, die Carolin Franitza mit ihren weiteren neun Teamkollegen umzusetzen hatte, hieß: Neue Produkte aus alten Automobil-Sicherheitsgurten. Ausgedacht hatte sich das ihr Professor Dr. Robert Groten. „Wissen Sie, dass in Deutschland jährlich rund 500 000 Autos verschrottet werden. 6,6 Millionen Meter Sicherheitsgurt werden dabei mit vernichtet, obwohl es sich um qualitativ hochwertiges, meist unbeschadetes Material handelt“, erzählt die 21-Jährige. Ohne das Corona-Virus würde sie der Autorin in der Hochschule im Gespräch gegenübersitzen. So aber sind persönliche Kontakte nicht möglich, ebenso wenig wie unter den Studierenden. Und dennoch habe die Kommunikation untereinander per Zoom, E-Mail und Telefon sehr gut geklappt.

Als Projektleiterin hat sie die Aufgaben koordiniert und dafür gesorgt, dass alles nach Plan läuft. Bei der ersten Kennenlern-Runde des Teams stießen sie schnell auf das Thema Nachhaltigkeit und die Verschwendung von hochwertigem Material, wenn nach oftmals nur wenigen Jahren ein Auto verschrottet und die viel langlebigeren Sicherheitsgurte geschreddert werden. „Dabei sind wir rasch auf die Idee gekommen, sie für textile Flächen für Outdoor-Möbel zu nutzen“, sagt Carolin Franitza. Das Gurtmaterial ist UV-beständig und müsse noch nicht einmal veredelt werden. „Wir vermeiden somit die Neuproduktion von Polyester und verringern dadurch auch die CO2-Emissionen.“

Idee für Hundekleidung kommt von zwei Familientherapeuten

Den Sessel „Loungester“ und ein Kissen „Pillowingo“ konnte das Team trotz Lockdown realisieren. Und obwohl es nicht Aufgabe war, hat das Team auch schon im Marketing die Voraussetzungen für ein bislang fiktives Start up „Safe Sit“ entwickelt. Ihr Studium des Textil- und Clothing-Management in englischer Sprache geht jetzt erst einmal weiter. Die Note für diese Abschlussprojektarbeit steht noch aus. Anfang des nächsten Jahres will sie das Team wiedertreffen und gemeinsam mit ihrem Professor überlegen, ob das Start-up zu realisieren ist. Auch Nina Arnold und ihre zehn Teamkollegen (Team 6) haben ihre Aufgabe praktisch umsetzen können und dafür einen professionellen Marketingplan erarbeitet. „Wir wären theoretisch in der Lage, unsere Entwurf als Marke aufzuziehen“, sagt die 21-Jährige stolz, die ebenso wie Carolin Franitza Textil- und Clothing Management studiert an der Hochschule studiert und die Aufgabe der Projektleitung übernommen hat.

Auftraggeberinnen waren in dem Falle zwei Schwestern, die eine familientherapeutische Einrichtung haben und dort bei der Kommunikation mit Kindern auch ihre Hunde einsetzen. „Die weitgefasste Aufgabe lautete: eine modische Hundekollektion zu entwerfen im Boho-Look“, erzählt Nina Arnold. Zunächst hätten sie überlegt, was der Bohemian-Style, abgekürzt, Boho-Style, ebenso wie stylish bedeutet. Ihre Professorin Andrea Rieschel als Supervisorin und Leiterin der Webabteilung an der Hochschule am Standort Mönchengladbach haben ihnen geholfen. Doch das allein war ihnen zu wenig. Die Projektgruppe setzte sich intensiv mit dem Thema Familientherapie – ausgerichtet an den Hunden – auseinander. „Was sind Therapiehunde, wie werden sie eingesetzt, worauf muss man achten, wenn man Kinder ansprechen möchte.“ 

Studierende überlegen, ihr Produkt selber zu vermarkten

Herausgekommen ist eine modische und sehr funktionale Ausstattung in sanften Farben für den Hund, mit einem Geschirr als Grundgerüst, versehen mit Schlaufen, an denen mit Karabinerhaken verschiedene passende Taschen angebracht werden können. Smileys und Emojis können per Klettband angebracht werden und dienen der vereinfachten Kommunikation mit Kindern. „Sie sind so schön und praktikabel, dass aber auch jeder private Hundebesitzer diese Ausstattung nutzen kann und keine Extratasche für Schlüssel, Handy oder Geld mitnehmen muss“, sagt Arnolds. Auch an eine Sitzdecke für den Hund hat das Projektteam gedacht. Die beiden Ideengeberin sind ganz begeistert, obwohl die beiden Geschirre in S und L ihren Hunden nicht passen. Wegen des Lockdown konnte keine persönliche Anprobe zuvor erfolgen. Ende März will das Team schauen, ob ihr Projekt eine Zukunft hat. „Da liegt so viel Herzblut drin, es wäre schade, wenn es jetzt einfach so endet“, sagt Arnolds.