Konzert-Reihe Reise voller wechselnder Gefühle
Die Reihe „LiedGut“ geht auf Wanderschaft — in die Tiefen menschlicher Schicksale. Michael Preiser wählt „Songs of Travel“ von Vaughan Williams und „Auf verwachsenem Pfade“ von Leos Janáček aus.
Die Verknüpfung einer Wanderung mit einem menschlichen Schicksal ist ein beliebtes Motiv in der Musik. Prominentes Beispiel: Franz Schuberts „Winterreise“. Als englische Version wird der Zyklus „Songs of Travel“ bezeichnet, den Ralph Vaughan Williams Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb. Im Rahmen der Reihe „LiedGut“ war in Krefeld jetzt eine Aufführung dieses eher unbekannten Werkes zu erleben.
Die 14. Ausgabe dieser besonderen, von Pianist Michael Preiser konzipierten Reihe stand unter dem Motto „Heimatlos…auf Reise“. Passend dazu hatte Preiser den „Songs of Travel“ noch einen zweiten Zyklus vorangestellt. „Auf verwachsenem Pfade“ heißen die zehn zusammenhängenden Klavierstücke, die Leoš Janáček fast zeitgleich mit Williams schrieb. Der Komponist verarbeitete darin den Tod seiner Tochter Olga. Es ist zwar ein Zyklus ohne Worte, der sich aber musikalisch einer sehr bildreichen Sprache bedient. Wie Preiser in seiner kurzen Einführung erläuterte, ist die Musik sehr der Melodik der tschechischen Sprache nachempfunden.
Einfühlsames Spiel zeigt
zarte Traurigkeit
Sehr anschaulich sind auch die Titel der einzelnen Stücke. So ist das Erste namens „Unsere Abende“ ein melancholischer Rückblick auf gemeinsam mit der Tochter verbrachte Zeiten. Mit einfühlsamem Spiel brachte Preiser die zarte Traurigkeit und feinste Linienführung wunderbar zum Ausdruck. Doch auch der Wechsel zu den etwas heiter gefärbten Stücken gelang perfekt. In dem Lied „Sie schwatzten wie die Schwalben“ schimmert noch einmal heitere Daseinsfreude auf, bis gegen Ende eine zunehmend düstere Stimmung die Oberhand gewinnt. Das letzte Stück „Das Käuzchen ist nicht fortgeflogen!“ lässt die Todesahnungen zur bitteren Gewissheit werden.
Nach diesem sehr berührenden Auftakt schlugen die „Songs of Travel“ zunächst einen anderen Ton an. Mit seinem kraftvollen und warm strahlenden Bass verkörperte Matthias Wippich zunächst noch das positive Bild eines Wanderers. Neun Lieder nach Texten von Robert Louis Stevenson (Autor der „Schatzinsel“) umfasst der knapp halbstündige Zyklus. Musikalisch in der Spätromantik angesiedelt, geht es auch hier um einen Abschied von einer Liebe und einer Wanderschaft durch die Welt und das Leben. Doch im Gegensatz zur tiefen Verzweiflung und der Bitterkeit der „Winterreise“ ist hier etwas sanftere Melancholie im Spiel. In „Youth and Love“ nimmt der Wanderer Abschied von seiner Geliebten. Das folgende Lied „In Dreams“ in der Mitte des Zyklus zeigt eine tiefe Traurigkeit, bevor gegen Ende eine nicht nur negative Bilanz gezogen wird. „Bright Is the Ring of Words“ erzählt vom Vermächtnis, das ein Künstler der Nachwelt hinterlässt. Der letzte Song „I Have Trod The Upward and the Downward Slope“ reflektiert abschießend die Höhen und Tiefen des Daseins.
Präzise in der Artikulation und einfühlsam in der Gestaltung machte Wippich diesen Zyklus zu einem ganz besonderen Hörerlebnis. Das zeichnet die Reihe aus, dass sie auch eher unbekanntere kammermusikalische Kostbarkeiten in den Fokus rückt. Es wäre schön, wenn man dafür auch ein jüngeres Publikum gewinnen könnte.