Mit Generalintendanten ist es in der Regel wie mit Bundespräsidenten: Nach zwei Amtszeiten wechseln sie die Aufgabe. Sie haben sich dafür entschieden, von 2020 bis 2025 eine dritte Amtszeit zu bestreiten. Warum?
Interview Theaterchef: „Die Sinfoniker hätten eine neue Spielstätte verdient“
Krefeld · Interview Michael Grosse spricht über seine Wünsche für die dritte Amtszeit, die Suche nach einer neuen Heimat für das Orchester und ein Kulturprogramm für den Theaterplatz.
Michael Grosse: Es gehört zur Geschichte dieses Theaters, dass Generalintendanten sehr lange am Haus sind. Beide Städte, Krefeld und Mönchengladbach, haben immer großen Wert auf Kontinuität gelegt.
Was waren die inhaltlichen Beweggründe?
Grosse: Das Entscheidende war der Umbau in die gGmbH. Das ging einher mit dem neuen Finanzierungskonzept „Theater mit Zukunft“ und den dazugehörigen Fünf-Jahres-Plänen. Das gibt einem mittelfristige Planungssicherheit, und das ist heute wahrlich nicht selbstverständlich. Da ist ein Vertrauensverhältnis gewachsen. Das kann man den beiden Städten nicht hoch genug anrechnen.
Inwieweit hatte das Publikum Einfluss auf Ihre Entscheidung?
Grosse: Wir haben ein sehr neugieriges und sehr belastbares Publikum. Wenn man einen solchen gemeinsamen Weg gegangen ist wie wir, dann hat man auch Lust, diesen Weg weiter auszureizen.
Wie sehen die Pläne für diesen weiteren Weg aus?
Grosse: Unser Ehrgeiz ist es, das Ensemble in ganz unterschiedlichem Licht zu präsentieren. Wir sind sehr stolz, dass wir den „Lohengrin“ oder „Die Zauberflöte“ mit unserem Ensemble auf hohem Niveau inszenieren konnten. Außerdem suchen wir regionale Stoffe, die über die Stadt hinausstrahlen, und wir wollen Stücke aus dem klassischen Repertoire in neuen Interpretationen präsentieren. Und unser Publikum ist auch weiter sehr interessiert an unserer Reihe des außereuropäischen Theaters.
Welche Stücke würden Sie dabei gerne noch spielen, welche Wünsche sind da noch offen?
Grosse: Da sag’ ich jetzt lieber nichts. Da müssen bestimmte Konstellationen einfach stimmen. Aber wir haben uns mit dem „Lohengrin“ oder „Kein schöner Land“ schon einige Wünsche erfüllt.
Wie wollen Sie politisch weiter wirken?
Grosse: Man kann gar nicht oft genug an die moralisch-ethisch-toleranten Werte der Menschen appellieren. Am liebsten wäre mir eine Dramatisierung des Grundgesetzes. Theater kann nie politisch genug sein, wenn es zugleich auch sinnlich und unterhaltsam ist.
Die Stadt hat den Kultureinrichtungen am Theaterplatz Geld zur Verfügung gestellt, um für den Platz ein Programm zu entwickeln. Was haben Sie vor?
Grosse: Es gibt noch keine konkreten Pläne. Am besten wäre natürlich, wenn man dort Theaterinszenierungen spielen könnte. Das ist aber kompliziert. Weil wir paritätisch finanziert werden, bräuchte jede Inszenierung dort ein Pendant in Mönchengladbach.
Kann man da nicht eine Ausnahme machen?
Grosse: Das hier ist die älteste Theaterehe Deutschlands, sie wird im nächsten Jahr 70. Das ist auch gelungen, weil die Parität stets verteidigt worden ist. Das sollte man nicht einfach unterlaufen. Es wird bei den Plänen aber auch darum gehen, wie der Theaterplatz aussieht, wie wir ihn gestalten können und wie wir damit arbeiten, dass er sich in den nächsten Jahren stark verändern wird.
Der Abriss des Seidenweberhauses ist beschlossen. Wie wollen Sie damit umgehen?
Grosse: Noch kennen wir den Zeitplan nicht, aber die Verdienste des Seidenweberhauses sollte man zu geeigneter Zeit noch einmal herausstellen. Es sollte nicht sang- und klanglos verschwinden. Aber es wird wohl keine Seidenweberhaus-Revue geben.
Der Abriss trifft Sie auch insofern, als die Niederrheinischen Sinfoniker dort spielen. Wie geht es mit dem Orchester weiter, wo soll dessen neue Heimat sein?
Grosse: Wir wünschen uns einen akustisch guten und würdevollen Ort. Wir könnten das Theater akustisch ertüchtigen, hätten dann aber ein Problem mit der Disposition, weil wir weitere 28 Konzerttermine im Programm unterbringen müssten.
Also bevorzugen Sie eine neue Spielstätte?
Grosse: Die Sinfoniker hätten das absolut verdient, und es ist auch wichtig für sie, damit sie konkurrenzfähig bleiben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir am Markt agieren und die Zuschauer auch schnell andere Konzertsäle in der Region besuchen können. Im Seidenweberhaus ist die Akustik extrem gut, das ist also sehr wichtig für die Existenz der Sinfoniker.
Sie sind ausgebildeter Regisseur und Schauspieler, inszenieren hier aber nicht, sondern spielen ausschließlich. Werden Sie bis 2025 noch einmal Regie führen?
Grosse: Nein, ich glaube... ich glaube nicht.