1. Weltkrieg: Briefe der verlorenen Söhne
Ab 4. Mai erinnert eine Ausstellung auf Burg Linn an den 1. Weltkrieg. Im Mittelpunkt stehen vier Krefelder Schicksale.
Krefeld. Beklemmend. Im Museum Burg Linn führt Christoph Reichmann durch eine Ausstellung, die den 1. Weltkrieg vor 100 Jahren zum Thema hat — im Radio ist eine halbe Stunde später wieder die Rede von einem möglichen neuen Krieg mitten in Europa.
In der Sonderausstellung in Linn, die am 4. Mai beginnt, wird der Kriegsverlauf von 1914 bis 1918 durch vier Schicksale Krefelder Soldaten lebendig. Oskar Goebel, Hans Schneewind, Heinrich Mönks und Hans Krülls stehen stellvertretend für 3421 offiziell in den Verlustlisten aufgeführte Gefallene aus Krefeld.
Die Ausnahme ist Schneewind, der als einziger der vier lebend aus dem Grauen der Fronten im Osten und Westen zurückkehrt. Seine Briefe an seine Freundin weisen ihn im Gegensatz zu vielen anderen Soldaten nicht als glühenden Frontkämpfer aus. Schneewind heiratet nach dem Krieg seine Freundin.
Der vermutlich erste Kriegstote aus Krefeld ist der 30 Jahre alte Hans Krülls aus Hohenbudberg. Nur drei Monate nach der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich am 3. August 1914 stirbt Krülls. Frau und Kind trauern zu Hause. Wie wenig vorbereitet die Gesellschaft im Kaiserreich auf den Krieg ist, zeigt die Tatsache, dass die Witwe vergeblich bei der damals selbständigen Uerdinger Verwaltung um Hilfe nachsucht. Arbeitgeber Edmund ter Meer vom gleichnamigen Chemieunternehmen springt in die Bresche und zahlt ihr eine kleine Witwenrente.
Ein anderes Beispiel für die vielen Pannen nach der Mobilisierung ist Oskar Goebel. Der 23-Jährige gehört zu den Bückeburger Jägern und soll sich als Reservist in Wesel bei seiner Einheit melden. Er braucht wegen ausgefallener Züge auf der Fahrt über Oberhausen mehrere Tage für die Strecke. In einem Brief nach Hause beklagt er sich bitter darüber, dass er erst nach drei Tagen ein warmes Essen erhält.
Das vierte Schicksal wird mit Dokumenten aus dem Stadtarchiv aus der Anonymität geholt. Mit 18 Jahren ist Heinrich Mönks der jüngste der Vier. Seine Aufzeichnungen von der Westfront fertigt er in Steno. „Damit die Franzosen es nicht lesen können.“ Er schreibt nach Hause, er müsse manches aus Geheimhaltungsgründen verschweigen.
Von manchem will er später erzählen — doch er kommt nicht mehr heim. Nach einem zehntägigen Trommelfeuer der französischen Artillerie fällt er 1917 „auf dem Feld der Ehre“. Beklagt hat er vor seinem Tod in Briefen in die Heimat den „dauernden Kohldampf“, den die Soldaten schieben: „Dünne Suppen, wenig Brot, fast kein Fleisch.“
Die vier Lebensläufe werden in der Ausstellung in Original-Exponaten illustriert. Der rostige Stahlhelm steht im Eingangsbereich. Kriegsschiffe der kaiserlichen Flotte grüßen als Gemälde von der Wand. Postkarten, Fotos, Fotoalben, Zeitungsausschnitte, heroisierende Bücher, Einberufungsbefehle. Reichmann weiß: „Nicht alle gingen freiwillig.“