Krefelder Kinder- und Jugendtheater Anna Tervoort: Gerechte unter den Völkern

Krefeld · Das Kresch-Theater realisiert zum Stadtjubiläum ein besonderes Monodrama über eine Krefelder Bäuerin, die eine Jüdin im Zweiten Weltkrieg rettete.

Familie Tervoort im Jahr 1943. Die junge Frau in Uniform ist eine Freundin der Familie, ansonsten auf dem Bild zu sehen Ehemann und Kinder Tervoort.

Foto: Sammlung NS-Dokumentationsstelle Krefeld

Sie hat nie viel Aufhebens um sich selbst gemacht, vielleicht gibt es deshalb auch gar nicht so viele Informationen zu ihrer Person. Und doch hat die alleinerziehende Krefelder Bäuerin Anna Tervoort sehr Großes geleistet. Einfach weil sie in einer Zeit, in der es nötig war, einfach gemacht hat, was nötig war. Sie versteckte die Jüdin Johanna Werner, die sie nie zuvor gesehen hatte, bewahrte sie vor der Deportation, vor dem Tod. Nahm sie bei sich auf, solange es ging. Trotz der Versuche, sie zu erpressen, trotz der ohnehin gefahrvollen Situation inmitten der NS-Diktatur – Ende 1944 oder Anfang 45, so genau weiß man es nicht – half sie tatkräftig der Verfolgten, sorgte später für ein Versteck in einem Keller eines teilweise beschädigten Hauses. Später, 1995, wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, 1997 erkannte Yad Vashem, die staatliche israelische „Gedenkstätte des Holocausts und des Heldenmuts“, sie als „Gerechte unter den Völkern“ an.

Die Geschichte der Krefelderin, die voller Bescheidenheit und Pragmatismus war, so schildert die Nachwelt, und einfach richtig handelte, muss berichtet werden, ganz lebendig. Gerade in Zeiten wie die unsrige. Und das tut das Kresch-Theater.

Schauspielerin Anja Balzer verkörpert Anna Tervoort

Regisseur Franz Mestre und Schauspielerin Anja Balzer widmen sich Anna Tervoort.

Foto: Andreas Bischof

Regisseur Franz Mestre und Schauspielerin Anja Balzer haben gemeinsam sich auf die Spuren Tervoorts begeben. Haben sogar ihren ehemaligen Hof ausfindig gemacht. Haben sich ihrer Person, so gut es heute geht, genähert. Eigentlich sollte das Einpersonenstück, bei der Balzer Tervoort in einer Art Monolog verkörpert, schon zuvor im Zuge der Monodramen über historische Frauen am Kresch zur Uraufführung gebracht werden – doch wegen Krankheit war das nicht realisierbar. Umso schöner ist es, dass als Geschenk zum 650-jährigen Stadtjubiläum nun das Kresch diese Idee verwirklichen kann. Anhand dokumentarischer Texte und fünf Fotos begannen, Mestre und Balzer sich in die Person hineinzuversetzen, ein Gefühl für die Situation zu erspüren. Aus „Improvisationen voller Mutmaßungen“ gelang, aber eine schlaglichtartige Biografie zu rekonstruieren, schildern die Macher – in der „Schlüsselstationen szenisch erlebbar werden“. Aber die Schauspielerin, die eine Idealbesetzung für die Rolle zu sein scheint, wird alle Passagen und Interaktionen mit „imaginären Partnern“ vollziehen, eine große Kunst, die Menschen drumherum aus der Reaktion heraus lebendig werden zu lassen. Über mehrere Stationen bis hin zu ihrem Lebensabend in der Seniorenresidenz Wilmendyk, die schon von verblassenden Erinnerungen geprägt war.

Mit viel Imagination und immer im Bewusstsein, dass man der realen Tervoort mit den Versuchen der Rekonstruktion nie wirklich gerecht werden könne. Das Stück starte mit der Klarstellung: „Ich bin nicht Anna Tervoort. Ich habe auch keine Ahnung, wie sie gelebt hat. Aber, was sie gemacht hat, das finde ich wichtig zu erzählen und daran zu erinnern.“

Zu erleben ist das Stück sowohl punktuell im Kresch-Theater (Virchowstraße 130), als auch als mobile Produktion für Schulen. Allerdings braucht es eine Theatersituation, also ist weniger das Klassenzimmer als eine Aula geeignet. Zur Premiere des 50-minütigen Stückes für Publikum ab 12 Jahren am 21. Oktober, 19 Uhr, wird auch die Verwandtschaft von Tervoot erwartet. Das Stück kann in zusätzlichen Formaten auch in Kombination mit dem Monodrama zu „Sophie Scholl“ gebucht werden. Nachgespräche sind Teil der Vorstellung. Theaterdirektorin Isolde Wabra versichert, dass das Stück zum festen Programm des Kreschs werde. Sie wolle, dass möglichst viele Menschen in Zukunft auch über Tervoort mehr erfahren könnten. Alle Infos unter.