WZ-Kunstauktion Der Künstler, der mit Zwergen zaubert

Krefeld · Krefelder Künstler Will Cassel, Jahrgang 1927, stellt seine Arbeit „Welt-Weit-Vernetzt“ für den guten Zweck zur Verfügung. Die WZ besuchte ihn in seinem verwunschenen Haus.

Es steht da auf dem niederrheinischen Land wie ein verwunschenes Hexenhäuschen. Das vom – genialen wie wahnsinnigen Krefelder Architekten Karl Buschhüter – 1936 erbaute backsteinerne Haus am Kuhdyk. Doch darin wohnt keine Hexe oder gar ein schauriger Geist – wenn dann mehr ein guter Zauberer, ein kraftvoller, voller Liebe wirkender Hexer. Will Cassel, Jahrgang 1927, ist, möchte man das Sinnbild des Magiers nutzen, ein Zauberer der Kunst. Ein Kopf, der Inneres nach Außen und Äußeres nach Innen zu kehren vermag, durch eine ganz spezifische Symbolsprache, durch eine Motivik, die ihm viele Wege in seiner langen und äußerst vielseitigen Laufbahn als Künstler eröffnet hatten.

Nicht umsonst heißt seine in seinem Haus befindliche Galerie, sein Atelier, auch „Meditativ Art“ – im Buschhüterhaus findet sich sogar ein im Obergeschoss befindliches kleines Museum, das auf sehr anschauliche Weise die Stationen Cassels zeigt. Auch im unteren Atelierbereich kann der Besucher so viel entdecken, viel Assoziatives, viel, dessen „Bedeutung“ sich erst im Kontext erschließen mag. Ein wenig, als würde einem ein Einblick in den Geist, in die Erinnerungen eines weit gereisten Menschen hineinschauen dürfen. Immer wieder auch der „Zwerg“ – aber dazu mehr. Cassels Kunst ist eine Kunst auch der scheinbaren Widersprüche, eine Kunst, die so tiefsinnig wie offensichtlich bunt und plakativ ist. Ein scheinbarer Widerspruch mag auch die zeitgleiche Weltläufigkeit und Ortsverbundenheit Cassels sein. Sein Weg beginnt in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Dortmund, wo Cassel geboren wurde, über Krefeld – er lebt seit 1934 in Krefeld – wo er in den 40er-Jahren die Werkkunstschule besuchte, über Studien in Italien zurück nach Krefeld, wo er lange Jahre als Dozent, später an der Gesamthochschule Dortmund und Essen, tätig war. Doch seine Kunst führte ihn bis nach Amerika, brachte ihm Preise ein. Doch Cassel war auch als Autor tätig, immer war die Reflexion, das Nachsinnen über Kunst, über die Welt ein tragender Pfeiler seiner persönlichen Auseinandersetzung mit dem Sein, mit unserer Vernetztheit im Komplex des Weltgeschehens, das er „Welttheater nennt“. Und der Zwerg – als eine kraftvolle Motivik; aber dazu gleich mehr, wie schon zuvor erwähnt.

Die Arbeit „Welt-Weit-Vernetzt“ stellt Krefelder Will Cassel für die Auktion zur Verfügung.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Cassel hat sich, als die WZ ihn für die Kunstauktion anfragte, sogleich freudig bereit erklärt, eines seiner Werke für den guten Zweck zur Verfügung zu stellen. Suchte dafür eine Enkaustik mit dem Titel „Welt-Weit-Vernetzt“ aus. Das auf einem Tuch gefertigte Bild ist in einem antiken Malverfahren kreiert, das Cassel schon seit 1974 nutzt. Dabei werden Farbpigmente durch Wachs mithilfe von Wärme in den Stoff eingearbeitet. Das Bild zeigt eine im „Netz“ gefangene oder eben „vernetzte“ Erde mit vielen Attributen, mit einer bunten, vielsagenden Komposition aus Text, Motivik und Farbigkeit.

Cassel, der tatkräftig von seinen Töchtern unterstützt wird, empfängt uns in seinem Haus mit Freude – etwas still, inwendiger mag der Senior der Krefelder Kunstszene geworden sein. Doch fragt man ihn nach seiner Arbeit, nach seiner Kunst und wartet geduldig auf die feinen Gedanken, die er sorgsam formuliert, spürt man einen tiefen, sich immer wieder selbst im hohen Alter für die Reflexion öffnenden Geist. Und den großen schillernden Charakter, der er immer war und heute noch ist. Mit viel Enthusiasmus führt Cassel – der mir nichts, dir nichts, die engen Treppen des Hauses überwindet, als hätte der Zahn der Zeit kaum Spuren hinterlassen – auch durch sein Cassel Museum. Dort trifft der Besucher auf große Momente seiner Karriere, Installationen, Performances. Im Fokus immer wieder auch der Zwerg, als Gipsabdruck.

Also was hat es mit diesem Zwerg auf sich, der sich übrigens stilisiert, abstrahiert auch in dem Kunstwerk für die WZ-Auktion finden lässt? Während des Besuchs in seinem Atelier im Gespräch vor seiner Arbeit stehend spricht Cassel von einem Fruchtbarkeitssymbol. Doch da steckt viel mehr dahinter, hinter dem Zwerg. Es ist „Abstraktion für das Sein“. Der Zwerg, nah am Gartenzwerg, was schon an sich eine ironische Brechung ist, taucht in immer wieder wechselndem Kontext auf, als Multiple, in vielfältiger Art, als Sinnbild für alles und vielleicht nichts. Ein Platzhalter für den Menschen? Das Große im Kleinen und vice versa? Ein Objekt zur Meditation über die Aspekte des Seins?

Den Zwerg als „Chiffre“ zu nutzen, die oft exzessive Reduktion, ja fast Trivilaisierung, das Feuerwerk der Farbigkeit, all das fasziniert, ist eigenwillig. Kassel nutzt diese Ästhetik bewusst, für ihn gibt es keinen „Kitsch“ – wie sich in seinen Texten nachlesen lässt. „All das sind Kunstschritte, die nicht jeder mitgehen kann“, heißt es da auch. Damit dürfte Cassel zu festgezurrte Kunstdiskurse meinen, die nur wenig oder gar nicht zwischen „Zeichen“ und „Bedeutung“ unterscheiden. Jenen verschließt sich bisweilen seine Arbeit. Cassels Werke sind dabei von einer raffinierten kompositorischen Qualität; seien sie verweisend, philosophisch untermauerte Hinweise auf tiefer gehende Ideen und Gedanken, wie auch Gesellschaftskritik, oder auch für sich rein ästhetisch ausdrucksstarke Bilder.  

Sein Leben spiegelt sich in der Spannbreite zwischen Beteiligungen an mehrere Documenta-Ausstellungen in Kassel, zwischen Barcelona, Museum Haus Lange, Kaiser-Wilhelm-Museum, Soho, zwischen The Isreal Museum, Düsseldorf, Salzburg, oder Kunst und Krefeld.