Kunstmuseen Krefeld Ein Soundtrack zur Kunst

Krefeld · Kunstmuseen Krefeld setzen auch im Lockdown digitale Akzente. Ignacio Uriarte hat zur Ausstellung „Den Zufall ordnen“ eine Playlist erstellt.

Papierinstallation „Zigzag – Expansion und Kontraktion“ des Künstlers Ignacio Uriarte im Kaiser-Wilhelm-Museum.

Foto: Andreas Bischof

Von dem November-Lockdown sind auch Museen betroffen. Wenngleich sicherlich manche fragen, was rein vom Infektionsrisiko unterscheiden würde, durch einen Plattenladen – der Einzelhandel hat auf – oder eben durch ein Museum zu schlendern. Aber das ist ein anderes Thema. Sie finden den Vergleich merkwürdig? Was Inhaltliches anbelangt, sind die Regeln, was in die Sphäre von Museen gehört, übrigens gar nicht so eindeutig.

Normalerweise denkt man, dass das eigentliche Metier, das Wirkungsgebiet, von Museen rein die bildende Kunst ist. Natürlich ist die Grenze, was alles zur Kunst gehört, schon lange nicht mehr so eindeutig, als dass Definitionen hier Sinn machen würden. Doch denkt man an eine Spotify-Playlist, also eine Liste von Musikstücken, die man dann streamen, sich also digital über das Internet anhören kann, weniger, wenn man an Ausstellungen denkt. Zumindest, wenn es sich nicht um genuine, also eigentliche, Klangkunst handelt. Etwa um Klangskulpturen; aber auch bei Installationen, Video-Kunst und Co. könnte es sogar naheliegend sein, Klänge auch außerhalb des eigentlichen Museumskontextes zur Verfügung zu stellen.

Kunstmuseen wollen digitales Angebot ausweiten

Doch eine Playlist zu einer Ausstellung ist etwas Neues – vor allem, weil es sich um eine Angelegenheit gedacht um mehre Ecken handelt. Und so etwas liebt die Kultur- und Kunstwelt, die den geraden Weg selten interessant genug findet, sehr. Just in diesem Fall bei den Kunstmuseen Krefeld allemal.

Der Künstler Ignacio Uriarte, der eine sehr minimalistische Kunst schuf, die von seriellen, meditativen Momenten lebt, sehr von der Büro-Alltagswelt inspiriert ist, aber viel mehr ist, hat es wegen Corona wirklich nicht leicht gehabt. Sowohl eine „richtige“ Eröffnung seiner grandiosen Ausstellung „Den Zufall ordnen“ als auch nun eine Finissage im Kaiser-Wilhelm-Museum des fünften Sammlungssatelliten – so heißt diese Ausstellungsreihe der Kunstmuseen Krefeld – musste ihm verwehrt bleiben. Jetzt zuletzt wegen des November-Lockdowns. Zumindest zunächst. Immerhin ist die Ausstellung, so teilte man uns mit, bis zum 24. Januar verlängert. Auf digitalem Wege, zumindest per Videos, die in der Ausstellung entstanden sind, konnte der Künstler Worte zu seiner Arbeit beisteuern, die einen ganz persönlichen Blick auf die Sammlung der Kunstmuseen Krefeld werfen. „Den Zufall ordnen ist gespickt mit autobiografischen Verweisen des Künstlers. Sie ist eine Hommage Uriartes an diejenigen Künstler in der Krefelder Sammlung, die seine Kunstpraxis prägten“, heißt es seitens des Museums.

Doch gerade in Corona-Zeiten möchten die Köpfe hinter den Kunstmuseen Krefeld ihr Haus digitaler aufstellen. Timm Nikolaus Schulze, verantwortlich für Presse und Kommunikation, setzt sich hier vermehrt ein. Natürlich gibt es Impulse aus dem Museum auf sozialen Medien, nicht zuletzt gab es auch schon sehr ansehnlich produzierte Video-Inhalte. Doch es soll stetig selbstverständlicher werden. Auch gerade jetzt im Lockdown verspricht man, sich auf diesem Wege weiterhin an das Publikum zu wenden.

Wohl in diesem Kontext ist zu sehen, dass Uriarte als eine Art Corona-taugliche Reminiszenz, als eine Art Zwischenton eine Reihe von Musikstücken zusammengestellt hat. Für alle, die seine Ausstellung kennen, aber da ganz öffentlich über Spotify verfügbar, auch für alle, die den Streaming-Dienst nutzen, und die Schau vielleicht noch nicht gesehen haben. Eine Playlist zur Ausstellung – ein wenig wie der Soundtrack zu einem Film, nur eben zu einem Stummfilm, der eigentlich keinen Soundtrack hat; denn Musik, zumindest hörbare, spielt in Uriartes Arbeit, die im KWM gezeigt wird, keine Rolle. Mittelbar allerdings spiegeln sich viele Aspekte von Klang und Schwingung. Rhythmus gibt es nicht nur im Klang, sondern kann auch optisch sich ausdrücken.

Die Spotify-Playlist, hört man sie, scheint wie für die Kunst von Uriarte gemacht – was kein Wunder ist, weil er sie ja selbst zusammengestellt hat. Dennoch überrascht, wie die Musik so treffend mitschwingt zu den Erinnerungen an die Schau im KWM, die derzeit zwar nicht, aber hoffentlich bald wieder zu sehen ist. Es entsteht eine weitere ästhetische Ebene, die, allerdings nur im Kopf, derzeit in der Erinnerung, reagiert. Neben Musik von Meredith Monk findet sich viel Minimal-Music, ob nun von Glass, Reich oder elektronische Musik von Kraftwerk – die philosophischeren Stücke wie „Spiegelsaal“ –, aber auch „Wir bauen eine neue Stadt“ von Palais Schaumburg oder „Paul ist tot“ von den Fehlfarben. Sicherlich Musik, die Uriarte, Jahrgang 1972, beeinflusst haben dürfte, aber auch welche, die vielleicht ihm bei seiner Arbeit als meditative Untermalung gedient haben könnte, wie die Neoklassik von Max Richter.

Vielleicht steckt in der Playlist auch noch etwas mehr Fantasie drin, wenn man bedenkt, dass das Museum inzwischen auch über Audio-Guides verfügt – erst ermöglicht durch Zuschüsse aus dem Kulturfonds „Neustart“. Wir denken an Museumsbesuche als synästhetische, also sinnesübergreifende, Erlebnisse. Wäre das nicht was?

Immer ist aber zu bedenken: Gerade digitale oder auch virtuelle Angebote, zu denen in gewisser Weise eine zu einer Ausstellung erstellte Playlist zählen mag, sind zusätzliche, ergänzende, niemals ersetzende Angebote. Reale Kunsterlebnisse vor Ort, derzeit suspendiert, bleiben erste Kompetenz von Museen.

Zur Schau im KWM (Joseph-Beuys-Platz 1) ist auch eine Publikation erschienen. Alle Informationen finden sich online.