Tanz NRW Der stotternde Schrei nach der „Mama“ – Dada mit Hartmannmueller

Krefeld · Die rührende Performance „my Saturday went pretty well until I realized it was Monday” des Duos Hartmannmueller war nun auch in Krefeld zu sehen.

Die Performance von Hartmannmuller lebt von der Kraft der Bilder, Gesten und Bewegungen.

Foto: Dennis Yenmez

Simon Hartmann von dem Duo Hartmannmueller sitzt umrahmt von Lichtsäulen, die man gerne bei Alleinunterhaltern findet, auf einem 60er-Jahre-Stuhl und hat ein Retro-Keyboard auf den Knien. Die Beine züchtig zusammengestellt, grinst er mal flirtend gelig wie ein Provinzcasanova und lächelt verheißungsvoll, als wolle er dem Publikum mit seiner Mimik sagen: Wartet nur ab, ihr werdet noch euer blaues Wunder erleben. Dieses blaue Wunder gibt es dann wirklich, in Form von blauem Tape, mit dem sich sein Partner Daniel Ernesto Mueller verschnüren wird, bis er aussieht, als trage er einen Rock. Den Rock seiner Mutter?

Wenn Tragik auf extravagante Performance trifft

Aber alles der Reihe nach. Die Performance „my Saturday went pretty well until I realized it was Monday” mag auf den ersten Blick aussehen wie hinterletzter Klamauk, eine dekadente Suche nach provokanter Blödelei. Doch wie irrig und unreflektiert solche Vorurteile doch sein können, das zeigt sich spätestens dann, wenn man die vielen Untertöne, die Emotionen und die intensiven subtilen Andeutungen erspürt und beinahe weinen möchte, angesichts der Tragik, die das Duo auf die Bühne der Fabrik Heeder bringt. Welch Glück, dass diese Performance nun auch in Krefeld zu erleben war. Musikalisch mit ganz simplen Rezepten erzeugt der „Alleinunterhalter“ eine Stimmung, die viel von Vereinsamung und Sehnsucht erzählen kann. Kindliche Spielfreude gesellt sich alsbald dazu, doch ist diese vergiftet, ganz wie die Figur, die Pate stand für diese Performance: „Hamlet“. Aber ob nun Hamlet eine Rolle spielt oder nicht, ist angesichts dessen, was da passiert, zweitrangig. Mueller bandagiert sich mit Tapes und verwandelt sich in einen Performer, der mit großen Tönen eine Show anzukündigen versucht; doch ersticken seine Worte in dadaistischem Gestotter – es ist fast unaussprechlich und deshalb bleibt es im Halse stecken. Er landet bei den Silben „Mama“ und schlüpft in die Rolle eines Kindes, das erst sanft, dann neugierig, zeigen wollend schließlich verzweifelt nach seiner Mutter ruft. Und hier kommt die zeitliche Komponente ins Spiel, die sich in dem Titel schon andeutet: „Mein Samstag lief ganz gut, bis ich realisierte, dass es Montag ist“. Denn nicht nur einzelne Schlaglichter – wie der bekannte Witz von zwei Planeten, von denen einer an Homo sapiens leide und der andere sagt, dass dies vorbeigehe –, sondern auch vieles mehr lässt einen Subtext auftauchen, den man bedenken sollte. Dieser ist durchaus die Frage nach dem Schicksal des Menschen, der Menschheit, das Kindsein und das Umkippen der Unschuld.

Mueller wirkt mal wie eine Dragqueen, stolziert, lässt sich von den Zwängen seiner Bandage einengen. Krönt sich zu einem König, mit Pappkrone, Comic-Halskette und Brille, verzweifelt, lacht, spielt. Doch Nebel zieht auf und wir mögen realisieren, dass es eben nicht mehr Samstag ist, sondern letztendlich Montag, dass sich die Zeit zurückgeschlagen hat auf den Anfang, eine Wiederholung, eine Reprise, die aber keine Reprise ist.

Diese Performance lebt natürlich von der Kraft der Bilder, der Gesten und Bewegungen, die durch die musikalisch-dadaistische Untermalung nach Alleinunterhaltermanier eine melancholische Stimmung erhalten. Das Verrückte dieses Ganzen bleibt primäre ästhetische Maxime, obzwar genau diese Maxime sich selbst ad absurdum führt. Wie die aus Tape auf der Rückseite der Bühne geschaffene Schrift: My home is my...diese wird schließlich zu „My hope“. Hoffnung, ja Hoffnung, nach dem Chaos der Gefühle in Mutters Arme ruhen zu können, das ist die Essenz dieses Werkes, die aber nicht erfüllt werden kann. Oder doch?

Wer sich noch mehr zeitgenössischen Tanz ansehen möchte, hat dazu am Samstag erneut Möglichkeit. Im Rahmen von Tanz NRW ist zunächst Sprungbrett/Tanzrecherche mit jungen Künstlern zu sehen und schließlich, als Finale, „Phobos“ von der Cooperative Maura Morales, ab 20 Uhr. Weitere Informationen: