Krefeld von oben Der über Krefelds Dächern wohnt

Krefeld · Rolf Brandt wohnt im höchsten Wohnhaus der Stadt, dem Hochhaus am Bleichpfad, und hat in seiner Maisonette eine Kultur-Oase für sich eingerichtet.

Rolf Brandt wohnt in einer Maisonette-Wohnung im 20. Stock des Bleichpfad-Hochhauses. Mit der WZ wagte er den Gang auf das oberste Dach, um das herrliche Panorama zu genießen.

Foto: Andreas Bischof

Er wohnt über den Dächern von Krefeld – schaut er aus dem Fenster seiner Wohnung, kann er weit bis ins Umland blicken und vor sich schrumpft der wuselige Trubel der Stadt, wirkt entrückt, gedämpft, kompakt und faszinierend zugleich. Fast als ob man ein wenig über den Dingen schweben würde. Rolf Brandt ist einer der Bewohner des Hochhauses am Bleichpfad, das im Volksmund gerne auch „Mississippi-Dampfer“ genannt wird und das bis heute, auf diese oder jene Weise, Gemüter zu erhitzen vermag. Je nachdem, welche Perspektive man einnimmt, sorgt das höchste Wohnhaus Krefelds für ganz unterschiedliche Emotionen. Diese können auch Begeisterung sein, vor allem, wenn man die Vorteile genießen kann, etwa den Panorama-Blick in den höheren Stockwerken.

Brandt wohnt ganz weit oben in einer der Maisonette-Wohnungen in den obersten Stockwerken des 1972 erbauten Gebäudes. Dort hat er, der Kulturfreund und Kunstliebhaber, mit Gespür eine Wohn-Oase eingerichtet, die die doppelstöckige Wohnung im 20. Stock anmuten lässt, als könnte sie in jeder beliebigen mondänen Großstadt sein. Lediglich der Blick nach draußen verrät, dass wir in Krefeld sind – und Krefeld braucht sich mit dem vielen Grün, mit seiner reizvollen Struktur, den weiten niederrheinischen Panoramen zwischen Industriekultur und Natur nicht zu verstecken.

Viel Kultur und Kunst bevölkert seine Wohnung.

Foto: Andreas Bischof

Das Bleichpfad-Hochhaus, das zwischenzeitlich auch weniger gute Schlagzeichen machte, als Problem-Quartier angesehen wurde, heute aber auf dem Weg zu einem schönen Beispiel für gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt sein könnte, begleitet Brandt von Anfang an; wohnt er jedoch selbst auch erst seit fünf Jahren dort. Er betont aktuell die gut funktionierende Hausverwaltung, die vielen sozialen Initiativen vor Ort, die Bemühungen vieler Anwohner, das Haus sauber und lebenswert zu erhalten. In Hochhäusern gibt es immer wieder gewisse Probleme; Aufzüge können ausfallen. Davor gefeit ist man auch hier nicht. Etwa wegen mangelnder Ersatzteile. Eine Fahrt mit dem Aufzug gestaltet sich ausgesprochen charmant, man lernt die bunte Vielfalt im Haus kennen, von der Kleinfamilie über die Seniorin mit Rollator bis hin zum „coolen“ jungen Mann, der sich noch schnell zur Aufzuggruppe dazugesellt. Es wohnen über 25 Nationen im Haus, der Komplex verfügt über 254 Wohnungen mit mehr als 600 Einwohnern.

Der 78-Jährige war früher politisch gegen den Gebäudekomplex

„Vor fünfzig Jahren war ich politisch noch aktiver“, berichtet der heute 78-Jährige, der die Planungen für das Hochhaus als Mitglied der Bezirksvertretung miterlebt hatte. Ursprünglich sahen die Investoren zwei Baukörper auf gegenüberliegenden Seiten der Philadelphiastraße vor, berichtet er. „Politisch war da richtig Dampf im Kessel, den Bau in dieser Form zu verhindern“, berichtet Brandt, der damals selbst noch kein Fan des Hochhauses war. „Natürlich hat es den Nachteil, dass wir im Verhältnis zur Wohnfläche zu wenig Umland haben“, sagt er. Er erinnere sich noch als kleiner Junge an die Straßenbahndepots, die früher auf dem Areal waren. „Dass etwas gemacht werden würde, war klar, aber die Massivität war umstritten“, sagt Brandt. Das Haus ist 76 Meter hoch.

Das erste Mal vom Zauber der Wohnungen dort oben gepackt worden, ist Brandt übrigens bei einem Besuch. Dies war in den 80er-Jahren. Die Wirtin einer Gastronomie im Schwanenmarkt lud ihn und Freunde zu sich ein – oben in einer der Wohnungen, wie die von Brandt heute, wohnte sie.

Unten, vor dem Haus, wiederum dominiert die mächtige Urbanität des Gebäudes.

Foto: Andreas Bischof

Später zog er aus Krefeld in das Umland, wohnte dort in einem Haus. Veränderungen standen an und aus persönlichen Gründen folgte vor fünf Jahren die Entscheidung, wieder nach Krefeld zurückzuziehen. Rolf Brandt suchte nach geeigneten Wohnungen; wichtig war ihm dabei auch, dass sein Hund auch problemlos mit einziehen dürfe. Plötzlich tauchte ein Inserat für eine der Maisonette-Wohnungen im Bleichpfad-Hochhaus auf. Die Begeisterung war sogleich da. Als dann auch noch sein Hund willkommen war, wie er vom freundlichen Hausverwalter erfuhr, stand die Entscheidung fest.

Die Wohnung wurde renoviert (Böden, Bad und Co.), neue, gut abgedichtete Fenster sorgen auch bei Wind und Wetter in der Höhe für Schutz. Und natürlich gibt es bei ganz unterschiedlicher Witterung wohl die jeweils beste Aussicht Krefelds zu genießen; ob aus dem Wohnzimmer, direkt aus dem Schlafzimmer oder draußen in der Loggia sitzend. Bei einem Besuch gewährt man der WZ sogar einen Blick auf das Dach des Hauses, wodurch wir eine sogar noch beeindruckendere Aussicht auf die Stadt erhalten; ist der Weg dort hin auch abenteuerlich und sonst nicht gestattet. Aber zurück zur Wohnung Brandts. Die wunderbare Sammlung von Kunst-Plakaten sowie gläsernen Vasen zog mit ihm ein – Stil und Eleganz auch. Brandt liebt seine Wohnung – hat den Einzug in das Hochhaus keinen Tag bereut; selbst wenn die Aufzüge mal streiken und es schon auch noch mal Probleme gibt in dem Haus, das so viele unterschiedliche Welten in sich birgt, wie ein kleines übereinandergestapeltes Dorf mitten im urbansten Flecken Krefelds.