Die Geschichte der Meißner Glocken in Linn
Das Glockenspiel erklingt mehrmals täglich am Jagdschloss. Aus Porzellan ist es, damit es nicht eingeschmolzen werden kann.
Krefeld. Das Glockenspiel im Jagdschloss in der Vorburg von Burg Linn hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Die Glocken aus Meißner Porzellan wirken zwar, als würden sie zum Ambiente der Kölner Kurfürstenzeit dazugehören, aber eigentlich erklingen sie an dieser Stelle erst seit dem Herbst 1995. Mehrmals am Tag sind unter anderem Stücke aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ zu hören.
Ihre Geschichte geht jedoch auf den Krefelder Uhrmacher Paul Lenzen zurück. In der Stadt war er als Krefelder „Klockebaas“ bekannt. Im Dachstuhl seines Geschäftes an der Königstraße hatte er 1935 ein Spiel aus Bronzeglocken einbauen lassen. Während des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1942, wurden diese Bronzeglocken zum Einschmelzen demontiert.
Nach dem Krieg besorgte Lenzen sich für den Wiederaufbau seines Geschäftes Glocken aus Porzellan, weil er nicht mehr riskieren wollte, dass man ihm eines Tages seine Glocken wieder abnehmen würde. Wie er allerdings im Nachkriegsdeutschland an die Glocken gelangte, ist nicht bekannt. Im Jahr 1951 kündigte der Uhrmacher an, dass in der Adventszeit wieder bekannte Melodien an der Königstraße zu hören seien.
Doch dazu kam es nicht. Ein Grund mag die nicht gewährte Ersatzzahlung durch den Staat für das eingeschmolzene Bronze-Glockenspiel gewesen sein. Die sollte Paul Lenzen erst nach seinem Tod 1960 nachträglich gewährt werden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Glocken bei einem Ulmer Unternehmen, welches die Klöppel einsetzen sollte.
Fünf Jahre nach dem Tod des „Klockebaas“ schenkten seine Schwestern dem Museum Burg Linn die Glockensammlung und einige Taschenuhren. Die Stadt übernahm die Kosten in Höhe von 265 D-Mark für die Rückführung aus Ulm. In Linn lagerten die Meißner Glocken in einer Holzkiste ab 1965 unter dem Dach des Jagdschlosses. Mitte der 1980er-Jahre wurde Rainer Scharl, damaliger zweiter Vorsitzender des Vereins der Freunde der Museen Burg Linn, auf die Kiste aufmerksam. Im Rahmen einer Diplomarbeit wollte er selbst eine Konstruktion für das Glockenspiel bauen.
Aber nach der Besichtigung von mehreren anderen Glockenspielen und dem nicht gelungenen Versuch, mit der Meißener Manufaktur in der damaligen DDR Kontakt aufzunehmen, ließ er das komplizierte Unterfangen ruhen. Stattdessen machte er in den kommenden zehn Jahren den kostbaren Schatz des Museums durch Presseberichte in der Stadt bekannt. Die Freunde der Museen Burg Linn finanzierten dann schließlich mit 120 000 D-Mark den Einbau des Glockenspiels.
Ein Glockenspiel aus Porzellan hat allerdings seine Tücken. Um das Jahr 1711 wurde das erste produziert. Schnell kristallisierte sich die Abstimmung der Glocken als Problem heraus. Um 1929 gelang es Professor Emil Paul Börner in Meißen abgestimmte Glocken herzustellen. Das erste Glockenspiel wurde dann in der dortigen Frauenkirche installiert.
Aus dieser Zeitspanne sollen auch die Krefelder Glocken stammen, denn während des Zweiten Weltkriegs bis in die Mitte der 1950er-Jahre wurden in Meißen keine Glocken mehr angefertigt. Das harmonische Zusammenspiel von Porzellanglocken blieb ein kompliziertes Unternehmen. Für die Melodien des Krefelder Glockenspiels konnten die Museumsfreunde in den 1990er-Jahren Professor Günter Schwarze von der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden gewinnen. Er arrangierte die zwölf Melodien für die 18 Glocken, die noch heute im Wechsel der Jahreszeiten erklingen. Zudem können auch die Europahymne und für Brautpaare Hochzeitslieder gespielt werden. Red