Udo Hanten: „Mit dem Syntheziser landete ich in einem anderen Universum.“
In den 1980er-Jahren waren Udo Hanten und Albin Meskes mit der Band You erfolgreich. Als Musiker und Macher von analogen Synthesizern sind sie wieder gefragt.
Krefeld. Man könnte seine Wohnung mit einem Studio verwechseln. Mehrere Keyboards sorgen dafür, mehr noch aber die schrankgroßen Gehäuse, in denen Synthesizer-Module mit unendlich vielen Kippschaltern, Drehreglern und Kontrollleuchten montiert sind. Mit solchen Kisten mauerte man in der Anfangsphase der elektronischen Musik ab Ende der 1970er-Jahre gerne ganze Bühnen zu.
Und das Equipment ist immer noch im Einsatz, denn sein Besitzer Udo Hanten erlebt mit seiner Musik seit ein paar Jahren ein regelrechtes Revival — nur in seiner Heimatstadt Krefeld weiß das kaum einer.
Hanten wurde 1956 in Sankt Tönis geboren, in Krefeld ist er aufgewachsen. Er hat eine Ausbildung zum Elektrotechniker gemacht, aber den Beruf nie ausgeübt. Ab seinem 22. Lebensjahr, also seit 1978, sei er „nur noch mit Musik unterwegs“ gewesen.
„Eigentlich wollte ich mit der Gitarre dastehen und die Weiber verrückt machen“, sagt Hanten über seinen ersten Antrieb, Musik zu machen. Er war auf dem Rock’n’Roll-Trip. Noch in seinen Teenagerjahren war er dann als Roadie einer Krefelder Band tätig und bekam dabei auch eine Orgel in die Finger. „Ich begriff sofort, dass ich mich mit einem Tasteninstrument schneller ausdrücken kann.“
Die Gitarre landete in der Ecke, Hanten spielte in einer ersten Formation Orgel, dann aber kaufte er sich einen Syntheziser. „Ich wollte nur Musik machen, aber dann landete ich in einem anderen Universum“, beschreibt er seine Erfahrung mit dem Instrument, das völlig neue Klänge erzeugen konnte.
You hieß die Band, mit der Hanten ab 1978 durchstartete. Davor gab es andere Mitmusiker, und Hanten war auch solo unterwegs, aber dann traf er auf den Gitarristen Ulli Weber und vor allem auf Albin Meskes, der auch Synthesizer spielte. Die Partnerschaft mit Meskes, der heute in Neersen lebt, sollte die Jahrzehnte überdauern.
Die Band war ungeheuer rührig. Man fuhr nach Berlin, stellte die eigene Musik im Studio der damals angesagten Band Tangerine Dream vor. In Berlin lernte man auch Harald Großkopf kennen, der für Wallenstein getrommelt hatte. Großkopf hatte eine Achtspurbandmaschine, und mit der nahm man dann in Krefeld erste Tracks auf. Gemischt wurde in Frankfurt im Studio von Eberhard Panne, dem „Hausmixer“ der deutschen Elektronikszene. Hier spielte Großkopf auch zu einigen Tracks Schlagzeug ein. Das Produkt war schließlich die erste Platte „Electric Day“ (1979).
Von den nackten Zahlen hatte die Band keinen übermäßigen Erfolg, aber sie erspielte sich einen Namen, war Bestandteil der Krautrock-Szene und produzierte weitere Platten. Auf „Electric Day“ folgte „Time Code“ (1983), „Wonders From the Genetic Factory“ (1984) und „Laserscape“ (1985).
„Laserscape“ hieß auch eine Open-Air-Laserinstallation, die der Künstler Horst H. Baumann entworfen hatte und die in Berlin, aber auch in Krefeld zu sehen war. In Krefeld soll es 10 000 Zuschauer gegeben haben. Hanten und Meskes hatten die Musik beigesteuert.
Ab 1996 sollten noch andere Veröffentlichungen folgen, aber mit „Laserscape“ war die erste Phase der Existenz von You abgeschlossen. Hanten machte aber weiter Musik — gewerblich gewissermaßen. Mercedes oder auch BMW setzte Hanten-Musik für Präsentationen ein. Auch Karl Lagerfeld hat für Modeschauen schon auf Synthesizer-Klänge von Hanten zurückgegriffen. Bei Industriefilmen nutzte Hanten ebenfalls eigene Musik.
Und dann passierte etwas, mit dem Hanten und Meskes nicht gerechnet hatten. Ab Mitte der 1990er-Jahre bedienten sich mehrere italienische DJs beim Repertoire von You. Besonders beliebt war das Stück „Live Line“ vom Album „Time Code“, das mehrfach gecovert wurde. Tantiemen aus diesen Aktivitäten fließen bis heute an das Duo.
Ihre Erfahrungen mit Synthesizern nutzen Hanten und Meskes seit 2008 nebenbei auch noch als „Instrumentenbauer“. Ihre Firma Les MoMo Consulting, an der auch noch ein Dritter beteiligt ist, stellt analoge Synthesizer-Module unter dem Namen „Moon Modular“ her. Trotz der inzwischen vorherrschenden digitalen Technik, erfreuen sich die analogen Modelle großer Beliebtheit, und Hanten weiß warum: „Statt mit einer Computermaus herumzuspielen, können die Musiker bei unseren Kisten wieder an Reglern drehen. Die mögen die Handarbeit.“ Der Filmkomponist und Oscar-Preisträger Hans Zimmer ist so einer, und auch die Band Depeche Mode nutzt Moon-Module.
Ein Liveaufritt beim Synch Festival in Athen im Jahr 2009 bescherte Hanten und Meskes dann endlich auch mal wieder ein bisschen Rock’n’Roll-Feeling. „Ich lag im Hilton Athen in der Badewanne, und dann rufen sie dich an und fragen, ob du zum Soundcheck kommen kannst“. Der Livegig vor 800 Zuschauern wurde dann auch gleich als CD verwertet („Benaki Cycles“, 2010).
„Krautrock und damit auch die ganze Elektroschiene“ erlebe derzeit ein großes Revival, sagt Hanten. Das ist offenbar auch dem Hamburger Label Bureau B aufgefallen, das neben neuen Veröffentlichungen etwa von Kreidler alte Produktionen neu herausbringt. Seit 2011 sind hier drei alte You-Alben neu erschienen, alle als 180-g-Vinyl-Pressung plus CD.