Grandiose Naturgewalten in Klangbildern
Niederrheinische Sinfoniker erwecken das Werk eines Isländers zum Leben und zeigen, wie gut eine Bratsche klingen kann.
Von der lebendigen wie unterhaltsamen Konzerteinführung war man auf Naturgewalten und Reiseerlebnisse eingestellt. So konnte man nach den Schilderungen von Eva Ziegelhöfer auf die geologische Lehrstunde gespannt sein, die es wenig später im Saal des Seidenweberhauses geben würde. Die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Mihkel Kütson eröffneten das zweite Konzert der Spielzeit mit dem Werk Geysir. Prelude for orchestra op. 51 des isländischen Komponisten Jón Leifs(1899 bis 1968). Eine große Besetzung unter anderem mit sieben Schlagzeugern und sogar Pauken zwischen den hinteren Stuhlreihen im Saal wurde mobilisiert, um die Gewalten im Erdinneren anschaulich zu machen.
Lange, tiefe Töne der Bläser versetzen die Zuhörer in die Tiefen der Erdkruste. Die Streicher, natürlich mit den tiefen beginnend, kommen hinzu, und das Orchester arbeitet sich musikalisch in die Höhe. Der Druck in den geologischen Schichten und die Spannung im Raum wachsen. Paukenklang von hinten, Rumoren, wildes Wirbeln und Sprudeln — das Wasser des Geysirs hat es an die Erdoberfläche geschafft. Die Fontäne springt in den Himmel, der Druck lässt allmählich nach, und schließlich strömt das Wasser des Geysirs nur noch ruhig dahin, bis es letztendlich ganz versiegt. So eindrucksvoll wie anschaulich machen die Niederrheinischen Sinfoniker mit ihrer Interpretation das Naturschauspiel.
Anschließend entführen sie das Publikum auf eine angekündigte Reise mit dem Violakonzert von William Walton (1902 bis 1983). Als Solist begeistert Nils Mönkemeyer in den verschiedenen Stimmungsbildern. Bei dem meisterlichen Spiel des Bratschers und der klanglichen Vielfalt seines Instruments können nur Zweifel über die Tatsache aufkommen, dass die Bratsche so ein mäßiges Image unter den Musikern besitzt und für viele im Schatten der Geige steht. Der weiche Klang, ein Repertoire an Ausdrucksformen, das von Lachen über Singen bis zum Weinen reichen kann, die schnellen und eleganten Wechsel von Klangfarben, die Mönkemeyer seinem Instrument zu entlocken versteht, sind Hörgenuss vom Feinsten. In seiner Zugabe, einer Sarabande von Johann Sebastian Bach, präsentiert er die Möglichkeiten des Instruments in faszinierender Klarheit, zelebriert die langen Töne wie technisch anspruchsvollen Passagen in unaufdringlicher Weise.
Nach der Pause steht mit Anton Bruckners (1824 bis 1896) Sinfonie Nr. 6 in A-Dur ein weiteres monumentales Werk auf dem Programm. Die darin steckenden Klangbilder sind vergleichbar mit einem Bergmassiv mit vielen Gipfeln wie beispielsweise in den Dolomiten. Majestätisch, feierlich, dann wieder zurückhaltendere Stimmungen — einen ständigen Wechsel von Atmosphäre und Eindrücken lassen die Niederrheinischen Sinfoniker entstehen. Ein Auf und Ab, das nicht gerade zielstrebig zu einem Finale führt. Die gut eine Stunde dauernde Sinfonie wird zu einer endlosen Geschichte, und da mag man dem überlieferten Urteil von Clara Schumann durchaus zustimmen: „Das ist ja ein greuliches Stück, nichts wie Fetzen aneinandergereiht und viel Bombast; dazu noch von unverschämter Länge!“ Das nuancenreiche Spiel des Orchesters kann darüber auch nicht hinwegtäuschen. Mit viel Applaus für die herausragenden wie „sportlichen“ Leistungen der Musiker endet das zweite Sinfoniekonzert um 22.30 Uhr.
Das Konzert wird morgen im Seidenweberhaus wiederholt, Beginn 20 Uhr, Konzerteinführung 19.15 Uhr. Konzertkarten sind erhältlich an der Theaterkasse am Theaterplatz, Tel. 805-125, unter theaterkasse-kr@theater-kr-mg.de, morgen an der Abendkasse oder online unter:
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