Im Zwiegespräch mit den toten Komponisten
Opernregisseur Hans Neuenfels stellt in der Mediothek sein Buch über seine Inszenierungen vor.
Krefeld. "Ich soll gesagt haben: Nach Krefeld komme ich noch nicht einmal zum Sterben zurück." Zu Beginn seiner Lesung in der Mediothek nahm Regisseur Hans Neuenfels Bezug auf die Vorankündigung seines Auftritts in der WZ. "Wahrscheinlich habe ich damals gemeint: Ich möchte überhaupt nicht sterben", erläuterte der gebürtige Krefelder und fügte charmant hinzu: "Natürlich ist es etwas Besonderes, in meiner Heimatstadt zu lesen." Die Mediothek und der Andere Buchladen hatten ihn eingeladen.
Vor gut gefüllten Reihen zeigte sich Neuenfels von Anfang an willens, sein Publikum zu unterhalten. Er erzählte viel und las eindringlich aus seinem Buch "Wie viel Musik braucht der Mensch?" (C. Bertelsmann). Vom Handikap einer nicht zu überhörenden Erkältung wollte er sich nicht bremsen lassen.
Das Buch ist Frucht seiner Arbeit als Opernregisseur, seit 1974 hat Neuenfels über 30 Opern inszeniert. Er berichte nicht über die üblichen Schwierigkeiten von Inszenierungen wie den Nervenzusammenbrüchen von Sängern und den Hass-Attacken der Chöre. Die Texte seien im "freien Gebiet" vor den Inszenierungen entstanden, sie dokumentieren seine Vorbereitung auf die Arbeit. Dabei nähert er sich recht unkonventionell den Komponisten an, indem er Begegnungen mit den meist schon lange Verstorbenen imaginiert.
Verdi erscheint ihm, als er eine Pappel vor seinem Haus fällen will, und Wagner lässt ihn ins Konferenzzimmer zitieren. Nur Mozart bedrängt Neuenfels vergeblich, er entzieht sich seinen bohrenden Fragen.
Im Zwiegespräch mit den Toten entwickelt Neuenfels Gedanken zur Musik der Komponisten. Die Form des Dialogs erzeugt eine Unmittelbarkeit und Lebendigkeit, die man in einem Opernführer kaum finden kann. Ein feinnerviger, mäandernder und dennoch klarer Schreibstil macht die Lektüre zum Genuss.
Und warum beschäftigen wir uns überhaupt mit der Musik? "Wir alle wollen mehr sein als nur wir selbst", stellt Neuenfels fest. Die Teilhabe am Mut der Genies, die bringe einen "in Form", erhebe über "das Spärliche" der eigenen Existenz. So viel Idealisierung der Kunst hätte man nicht unbedingt von einem Regisseur erwartet, dem immer noch das Etikett des "Bürgerschrecks" anhaftet.