Jazz an einem Regenabend
Nasser als am Samstag war das Festival nie. Aber Dave Holland macht alles wieder gut.
Krefeld. Regen, Regen, Regen. Es war das nasseste Festival „Jazz an einem Sommerabend“ in 27 Jahren. Trotzdem kamen am Samstag mehr als 500 Besucher auf die Burg Linn. Der Vorstand des Jazzklubs hatte am Freitag entschieden, die Veranstaltung nicht ins Ausweichquartier zu verlegen. Schon vergangenes Jahr war man ins Schulzentrum Corneliusfeld in Tönisvorst ausgewichen.
Dünne Basis der Entscheidung: die Aussage des Deutschen Wetterdienstes, dass es erst in den späteren Abendstunden zu regnen beginne. Denkste: Gegen 17.45 Uhr, 45 Minuten vor Beginn, setzte ein Landregen ein, der sich gleichmäßig stark und hartnäckig festsetzte. Etwa ab 22.45 Uhr goss es dann wie aus Kübeln, als sollten der Jazzklub und seine Mitglieder auch noch bestraft werden. Die durften im Regenfinale nämlich aufräumen.
Die meisten Besucher waren mit Regenjacken und Schirmen gut gewappnet, für die Leichtsinnigen gab es Regencapes an der Kasse. Das Festival fand zum zweiten Mal in der Vorburg statt. Im Innenhof sind, wie berichtet, aus Sicherheitsgründen nur noch 400 Zuschauer zugelassen.
„You are real fans“ („Ihr seid wahre Fans“) — Dave Holland fand die richtigen Worte für die Durchnässten. Der englische Kontrabassist, ein Star seit seiner Zeit mit Miles Davis vor 40 Jahren, war mit seinem exquisiten Quintett angereist. Ohne Holland hätte sich die Zuschauerzahl wohl deutlicher dem Wetter angepasst.
Den musikalischen Auftakt besorgte der Essener Trompeter John Dennis Renken mit seinem Zodiak Trio. Renken mit hektischen Achtelläufen, Andreas Wahl mit rockiger Gitarre und Bernd Oezsevim mit treibenden Grooves wechselten in ihren Stücken zwar selten das Fusion-Grundmuster, boten aber das, was der Abend zu Beginn deutlich brauchte: positive Energie.
Das norwegische Quintett Motif um Kontrabassist Ole Morten Vagan überzeugte mehr als im Stadttheater vor zwei Jahren. Das lag an besser aufgelegten Solisten. Dass die Band mit ihrem Modern Jazz an der Grenze zum Free Jazz zur Spitzengruppe der skandinavischen Szene gehören soll, lässt sich jedoch kaum nachvollziehen.
Und dann kam Dave Holland, und alles wurde gut. Zumindest für seinen 90-minütigen Auftritt. Mit Posaunist Robin Eubanks und Saxofonist Chris Potter verfügt er über herausragende Solisten, Vibrafonist Steve Nelson sowie Schlagzeuger Nate Smith sind ihm kongeniale Kollegen in der Rhythmusgruppe.
Das Quintett bringt alles mit, was ein Starensemble ausmacht: Instrumentalkönnen auf höchstem Niveau, ein unglaubliches Zusammenspiel, zeitlos frische Arrangements und vor allem die Fähigkeit, auch bei den Improvisationen melodiös zu spielen, ohne ins Eingängige abzugleiten. Grandios. Bis auf die Knochen nass, aber zufrieden machte man sich auf den Heimweg.