Jazz Jazz an einem Sommerabend: Trompeten-Star fesselt bis zum Ende
Krefeld · „Jazz an einem Sommerabend“ lockt 350 Besucher zur Burg Linn.
Nun konnte es also stattfinden. Im letzten Jahr musste das Festival „Jazz an einem Sommerabend“, das der Jazzklub Krefeld seit 1984 auf der Burg Linn durchführt, coronabedingt ausfallen. Jetzt hatte der Verein ein respektables Programm zusammengestellt, das nötige, umfangreiche Hygienekonzept erarbeitet, und der Wettergott ließ sich auch nicht lumpen in diesem ansonsten so launischen Sommer, wenigstens bis kurz vor Schluss. Aber es regnete erst, als mit ¡Mofaya! die Hauptband schon auf der Bühne stand.
Der Großteil der etwa 350 Zuschauer ließ sich das Spektakel ¡Mofaya! dann nicht entgehen, und das wird vor allem am unumstrittenen Star des Quartetts, das ist die Trompeterin Jaimie Branch, gelegen haben. Der Jazzklub hatte für den Auftritt von Branch und ihrem US-Landsmann Luke Stewart (Kontrabass) extra tief in die Reisekostenkasse gegriffen. Für den europaweit einzigen Auftritt von ¡Mofaya! wurden die beiden aus den Staaten eingeflogen. ¡Mofaya! ist im Kern das Projekt des amerikanischen Saxophonisten John Dikeman und des serbischen Schlagzeugers Aleksandar Škoric, beide leben in den Niederlanden. Dikeman ist mit anderen Bands in Krefeld schon zweimal aufgetreten und konnte den Rezensenten bisher nicht überzeugen. An seiner fahrigen, stets mäandernden, mit viel Vibrato und Überblasen überagierenden Spielweise hatte sich jetzt in Linn nichts Grundsätzliches geändert. Aber Dikeman, der herkömmliche Tonalität sonst zu meiden sucht wie der Teufel das Weihwasser, hatte ja jetzt Branch an seiner Seite und damit einen Gegenpart, der seinem eigenen Spiel bei aller gewollten Freiheit auch eine Rolle zuwies. Branch spielt auch frei, schöpft aber aus einem unendlichen Fundus an Melodiefragmenten, die für sich genommen immer noch auf Tonalität verweisen, und sie setzt ihre Linien als kraftvolle Statements. Ist Dikeman stets auf der Flucht vor dem Gängigen, scheint Branch die Scherben gängiger Muster in immer wieder neuen Versuchen zusammensetzen zu wollen. Diese verschiedenen Ansätze lassen eine große Spannung entstehen. Bassist Stewart und Drummer Škoric begleiteten die beiden in Linn kongenial über ein pausenloses Set von 75 Minuten, das von einer großen Dynamikbandbreite gekennzeichnet war. Die mittlere Band des Abends war das österreichische Quintett chuffDRONE, das zum ersten Mal in Krefeld gastierte. Lisa Hofmaninger, Sopransaxophon, Bassklarinette, Robert Schröck, Altsaxophon, Jul Dillier, Piano, Judith Ferstl, Kontrabass, und Judith Schwarz, Schlagzeug, schufen ein ruhiges Zentrum des Programms. In ihrer akustischen Fusion, die auf Arrangements in Collagetechnik setzt, treffen minimalistische Wiederholungen des ganzen Ensembles auf spanungsvolle Duette in verschiedenen Konstellationen, größere Improvisationsausflüge einzelner Solisten fehlen allerdings weitgehend.
Tribe sorgt für schwungvollen Start in den Abend
Einen knackigen Auftakt hatte dem Festival die Band Tribe um den Trompeter John-Dennis Renken beschert. Rockige Ostinatos von E-Gitarrist Andreas Wahl, mit variantenreichen Grooves von Drummer Bernd Oezcevim unterlegt, liefern bei Tribe den Background für vertrackte Bläsersätze von Renken, Altsaxophonistin Angelika Niescier und Posaunist Klaus Heidenreich. Tribe macht zeitgenössisch frische Fusion-Musik, von den Bläsern in zahlreichen Improvisationen mit Glanzlichtern versehen: ein Festival-Beginn auf hohem Niveau.