Interview Jazzattack: „Bei Sessions kann man spontaner sein“
Die Reihe Jazzattack wurde vor 20 Jahren gegründet. Zum Jubiläum gibt es einen Festivalauftritt im Vorhof der Burg Linn.
Krefeld. Jetzt dürfen sie auch mal wieder an die frische Luft. Seit 20 Jahren betreiben der Bassist Stefan Rademacher (1961) und der Gitarrist Axel Fischbacher (1956) die Sessionreihe Jazzattack im Jazzkeller. Anlässlich des Jubiläums spendiert den beiden der Jazzklub Krefeld beim kommenden Open-Air-Festival „Jazz an einem Sommerabend“ wieder einmal einen Auftritt auf der großen Bühne im Vorhof der Burg Linn, zu dem sie sich natürlich zwei Gastmusiker aussuchen durften.
Für die WZ sprach Klaus M. Schmidt mit Rademacher und Fischbacher über die Besonderheit von Sessions und die Geschichte der Jazzattack-Reihe.
Herr Rademacher, die Jazzattack gibt es jetzt schon 20 Jahre, warum wird Ihnen die Reihe nicht langweilig?
Stefan Rademacher: Das liegt in der Natur der Sache. Wir treffen entweder immer wieder auf neue Musiker, oder zumindest hat die Besetzung eines Abends so noch nie vorher zusammengespielt. Das bleibt spannend.
Axel Fischbacher: Und das Repertoire steht vorher nie fest. Das ist das Konzept der Session. Wenn es Verabredungen gibt, dann nur kurz vorher. Welche Stücke werden gespielt, wer spielt wann ein Solo. Das Konzept Session ist mein Lieblingskonzept.
Können Sie das noch etwas näher erläutern?
Fischbacher: Das Konzept ist prinzipiell offen. Wenn man über einen längeren Zeitraum mit einer festen Besetzung spielt, dann arbeitet man sich gemeinsam immer wieder an Arrangements ab. Auch bei Arrangements gibt es im Jazz natürlich relativ große Freiheit, aber bei Sessions kann man insgesamt spontaner agieren, und das gefällt mir. So viel Freiraum liegt aber nicht jedem Musiker.
Rademacher: Hinter Arrangements kann man sich verstecken. Diese Möglichkeit entfällt bei Sessions. Das ist auch eine Gefahr. Das merkt man schnell, wenn bei Sessions ein Untoter auf der Bühne steht. (Schmunzelt.)
Fischbacher: Was aber bei uns aufgrund der Grundqualität der Musiker nun wirklich selten vorkommt. Wenn ich mich an meine besten Konzerte der letzten zehn Jahre erinnern soll — das waren alles Jazzattacks.
Das Konzept Jazzattack haben Sie für den Jazzkeller entwickelt?
Fischbacher: Ursprünglich haben wir mit den Sessions im Downtown in Düsseldorf angefangen. Stefan und ich kennen uns ja schon wahnsinnig lange. Er spielte schon in meiner Axel Fischbacher Group mit, die für das 1983 erschienene Album „Rumba Ibiza“ den Preis der Deutschen Phonoakademie gewonnen hat. Dann wohnten wir auch eine Zeit lang zusammen in Düsseldorf.
Rademacher: Das Downtown war der Laden für Jazz in Düsseldorf, aber als der Ende 1987 schloss, war es mit der Jazzszene in Düsseldorf erst einmal vorbei.
Die Jazzattack im Jazzkeller startete dann aber erst zehn Jahre später.
Rademacher: Da haben wir die Idee der Session wieder aufgegriffen. Zufällig ergab es sich, dass ich wieder mal in Krefeld wohnte, dann zog auch Axel hierher, und der Saxofonist der ersten Stammbesetzung, das war Frank Kirchner, wohnte auch in der Nähe.
Es gab also schon so etwas wie eine feste Besetzung am Anfang?
Fischbacher: Ja, die gab es. Der Mann am Schlagzeug war Kurt Billker. Manchmal auch Andy Pilger, der übrigens den Namen Jazzattack ins Spiel gebracht hat.
Rademacher: Und dann hat sich das entwickelt. Immer wieder konnte mal einer nicht. Am Anfang haben wir die Sessions ja wöchentlich gemacht. Und dann haben wir halt Ersatzleute besorgt. Aus der Not wurde dann eine Tugend.
Und heute ist der ständige Wechsel das Prinzip.
Rademacher: Im Prinzip haben wir ein Schneeballsystem entwickelt. Wir fragen Kollegen, die wir kennen, ob sie nicht mal mitmachen wollen. Und dann fragen wir die dann aber auch gleich, ob sie nicht weitere Musiker wüssten, die nach Krefeld kommen wollen.
Fischbacher: So haben wir bis heute in den 20 Jahren über 300 Musiker eingeladen. Und das Schöne ist, manchmal entstehen aus den Sessions heraus auch wieder feste Projekte.