Krefeld Ich bin zum Islam konvertiert. Nein. Doch. Oh!

Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ ist keine leichte Kost. Trotzdem wagten sich Dramaturg Thomas Blockhaus und Regisseur Matthias Gehrt an den Stoff. Das Ergebnis: eine interessante Islam-Dystopie.

Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Da sitzt sie nun, die Hauptfigur von Michel Houellebecq. Mit Mickie-Krause-Gedächtnisfrisur, Cordhose und Kippe im Mund erzählt François dem Publikum vor einem Tannenbaum — der hier für christliche Werte stehen soll — von seinem Leben. Doch dann gerät der Schauspieler ins Stocken, er konzentriert sich und bittet letztendlich die Souffleuse Birgit um seinen Text.

Bereits zu Beginn der Premiere von „Unterwerfung“ rappelt es im Karton. Entfallene Textpassagen oder fehlendes Timing sorgen für Stirnrunzeln. Und dann noch das Thema: Ein unzufriedener Mittvierziger, für den nur Alkohol, Sex und Zigaretten im Leben zählen. Dass bei der Präsidentschaftswahl 2022 die Front National mit Marine Le Pen zu siegen droht, rührt ihn nicht. Soll das Land doch vor die Hunde gehen, schließlich geht ihn das ja nichts an. Eine bequeme Denkweise. Doch dann kommt die Wende: Die Brüderschaft der Muslime stellt einen Kandidaten auf. Er gewinnt, und Frankreich wird islamisiert. Und François, dem eigentlich alles egal ist, kommt ins Grübeln.

Zugegeben, Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ ist keine leichte Kost — vielleicht ist das der Grund, warum einige Zuschauer nach der Pause nicht zurückkommen. Die Geschichte dreht sich um François, weshalb viele Monologe vorprogrammiert sind. Diese umgeht Matthias Gehrt geschickt in seiner Inszenierung. Denn anstatt nur einen Schauspieler einzusetzen, setzt er acht ein, die sich in die Hauptfigur François oder aber auch in andere Figuren verwandeln — es kommt zum Dialog und zwischenzeitlich zu einem regen Austausch. Ein Monolog à la Hamlet wäre zu anstrengend gewesen. Die Akteure meistern, wie bereits in „Kein schöner Land“, die chorische Erzählweise. Keine leichte Aufgabe, was man an einigen Stellen an späten Einsätzen merkt.

Allerdings lockert diese Erzählweise — in Kombination mit verschiedenen Chansons von Brel und Bécaud — das Stück ungemein auf. Jeder einzelne Schauspieler verleiht mit seiner Verkörperung des François dem Charakter eine eigene Note. Obwohl die Hauptfigur des Lebens überdrüssig ist, gibt es den hoffnungsvollen François oder den sehr gefühlvollen. Doch egal, um welchen François es sich handelt, es kommt ständig die Frage auf: Was gibt es für ihn noch in diesem Leben?

Er ist verloren, hat aufgeben und es sich mit seiner gleichgültigen Denkweise bequem gemacht. Plötzlich ist Edith Piafs „Je ne regrette rien“ zu hören. Das Lied wird am Ende noch eine wichtige Rolle für François’ Wandlung spielen. Doch zurück zum Text. Als ihm angeboten wird, an die Universität zurückkehren, blitzt neue Hoffnung in seinem leeren Leben auf — und das, obwohl er seinen intellektuellen Höhepunkt bereits erreicht hat.

Allerdings gibt es da einen Haken: Er muss zum Islam konvertieren. François ist im ersten Augenblick nicht wirklich begeistert, allerdings überwiegen die Vorteile: Er bekommt das Dreifache seines Gehalts, an dem sich die Anzahl seiner Frauen misst. Und plötzlich bietet der Haken für ihn nur Vorteile. Denn schließlich mag er Frauen, und Geld erleichtert das Leben ungemein.

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam passiert kaum. Vor allem nicht bei François. Dieser zeigt sich lediglich in Louis-de-Funès-Manier über die schnellen Fortschritte der neuen Regierung erstaunt (Nein. Doch. Oh!). Er mag es halt bequem, dieser müde Literaturdozent.

Warum sollte er nun etwas an seiner Haltung ändern? Er kniet nieder, unterzieht sich dem Ritual und unterwirft sich dem Islam. Dabei bereut er nichts („Je ne regrette rien“).

Matthias Gehrt und Dramaturg Thomas Blockhaus gelingt ein unterhaltsames Stück, in welchem sich der Zuschauer die Frage stellt, wie er an François’ Stelle gehandelt hätte. Den eigenen Idealen treu bleiben oder sich einer Gesellschaft anpassen, deren Religion die Unterwerfung des Menschen unter Gott vorsieht? Vielleicht ist eine Welt, in der einem Entscheidungen abgenommen werden, aber auch gar nicht so schlecht?