Sinfoniekonzert Hohe Kunst auf der Gagliano-Geige
Niederrheinische Sinfoniker und Solist Tobias Feldmann begeistern die Zuhörer im SWH.
Krefeld. Auf der Bühne war beim sechsten Sinfoniekonzert kaum ein Platz frei — im Unterschied zum großen Saal des Seidenweberhauses. Mit großer Besetzung entführten die Niederrheinischen Sinfoniker am Dienstagabend ihr Publikum auf eine musikalische Reise in den Osten Europas. Als Gastdirigent hatte Georg Fritzsch die Reiseleitung.
Mit Klangbildern aus Ungarn begann das Programm. In seiner Ruralia hungarica op. 32b verarbeitete Ernst von Dohnányi (1877-1960) ungarische Volkslieder, die unterschiedliche Stimmungen widerspiegeln. Wehmütig in Gefühlen schwelgen, temperamentvoll Lebensfreude darstellen — die Niederrheinischen Sinfoniker glänzen in jedem Tempo, in jeder Lautstärke mit einem homogenen Spiel. Auch ein Piano der großen Streichergruppe wird zu einem zarten, feinen Klang, hinter dem man nicht solch eine Zahl an Musikern vermutet.
Für Henryk Wieniawski (1835-1880) Violinkonzert Nr. 2 d-Moll op. 22 hat man den erst 26-jährigen Tobias Feldmann als Solisten engagiert. Ein guter Ruf und einiges an Vorschusslorbeeren eilen dem jungen Geiger voraus. Und an der Berechtigung dieser Urteile lässt er nicht den geringsten Zweifel. Seiner Violine, einem Instrument von Nicolò Gagliano (Neapel 1769), entlockt er mit seinem ausgereiften Spiel wohl das gesamte Spektrum dieses historischen Instruments. Virtuosität von frappierender Leichtigkeit, Interpretationen voller Ausdruck und Gefühl, ohne sich darin zu verlieren, lassen das wenig bekannte Werk zu einer besonderen Entdeckung werden.
Eine wunderbare Musik, Balsam für die Seele in den langsamen Teilen, ein Allegro con fuoco (mit Feuer), das nicht nur den Solisten ins Schwitzen bringt. Das Publikum ist völlig zu Recht aus dem Häuschen.
Dann setzt Feldmann mit seiner Zugabe, den berühmten „Erinnerungen an die Alhambra“ (Recuerdos de la Alhambra) von Francisco Tárrega, noch ein dickes musikalisches Ausrufezeichen darauf. Wie er das Stück voller Triolen unter der Melodie für die sechs Saiten einer Gitarre auf der Geige umsetzt, verblüfft. Theoretisch scheint es eigentlich nicht möglich, aber mit seinen Fähigkeiten und seiner Technik überspringt er lässig elegant die üblichen Grenzen des Instruments.
Nach der Pause warten die Musiker mit einem weiteren Aha-Erlebnis auf, mit dem Konzert für Orchester von Béla Bartók (1881-1945). Immer wieder wird die ungewöhnliche Bezeichnung des Werks deutlich: Der Komponist gibt einzelnen Instrumenten oder kleinen Instrumentengruppen die Gelegenheit, mit solistischen Einsätzen herauszuragen. Auch in diesem Stück können die Musiker ein breites Klangspektrum präsentieren, so wie sich die Gefühle durch den Verlust einer geliebten Person wechselhaft entwickeln und zeigen können.
Der Dirigent des Boston Symphony Orchestra, Sergej Koussewitzky, gab Bartok 1943 den Auftrag, mit einem großen sinfonischen Werk seiner verstorbenen Frau ein musikalisches Denkmal zu setzen. Auch diese Interpretation der Niederrheinischen Sinfoniker findet großen Beifall.
Die gelungene Auswahl an Werken, die man nicht alle Tage hört, verdient nicht minder ein besonderes Lob.
Das Konzert wird am Freitag, 2. Juni, im Seidenweberhaus wiederholt. Beginn: 20 Uhr. Um 19.15 Uhr gibt es eine Konzerteinführung. Karten gibt es an der Theaterkasse am Theaterplatz, Tel. 80 51 25 und an der Abendkasse.