Ehrung Eine versierte Weltreisende

Krefeld · Der 25. Niederrheinische Literaturpreis wird an Ulla Lenze für „Der Empfänger” verliehen.

Schriftstellerin Ulla Lenze präsentiert den Preis, assistiert von (v.l.) OB Frank Meyer, Jens Dirksen (Jurymitglied) und Gabriele König (Leitung des Kulturbüros).

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Der Niederrheinische Literaturpreis der Stadt Krefeld ist ein besonderer: Nicht nur, weil es der 25. ist, sondern auch, weil er in schwierigen Corona-Zeiten vor einem kleinen Publikum in der Mediothek übergeben wird. Er geht an die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin Ulla Lenze aus Mönchengladbach und ihren Roman „Der Empfänger“.

„Dieser Preis bedeutet mir in diesem Ausnahmejahr der uns alle erschütternden Pandemie sehr viel, weil wir Künstler davon betroffen sind, als Solo-Selbstständige“, sagt Lenze, die mit Mutter, Bruder und Nichte angereist ist, vor der Ehrung. „Er hilft in dieser Zeit, den Rücken freizuhalten, wo fast alle Lesungen und Termine wegfallen, und dient der Lebenserhaltung.“ Den Preis, der mit 10 000 Euro dotiert ist, nehme sie sowohl als Autorin und als auch für das jüngste Buch in Empfang.

Autorin war sie schon mit 13 Jahren, als sie den Preis „Treffen junger Autoren“ gewann. Der „Jürgen-Ponto-Preis“ für den besten Debüt-Roman und der Gewinn des „Ernst-Willner-Preises“ beim Ingeborg Bachmann Wettbewerb, beide in 2003, folgten. Die Jury würdigte Lenze für ihre subtile, hochdifferenzierte Charakterisierung von Städten und Menschen. Ihre Fähigkeit, Atmosphären und Stimmungen mit Gedanken und Reflexion zu verknüpfen, rage in der deutschen Literatur heraus.

Ihr neuester Roman „Der Empfänger“ sei ein historischer Roman, der zwischen dem Niederrhein, New York und Südamerika spiele und die Schuld und Verantwortung des Einzelnen während der NS-Zeit reflektiere. Ihre Darstellungen schafften Anregungen, sich mit ihrem Werk und der darin enthaltenen Thematik zu befassen und nachzudenken, heißt es weiter.

„Sie versteht es meisterhaft, Städten ein Gesicht zu geben“

Oberbürgermeister Frank Meyer freut sich, dass es wunderbar sei, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen die kleine Veranstaltung mit der großen Wirkung auch dieses 25. Mal tatsächlich miterleben zu dürfen. „Der Niederrheinische Literaturpreis wird seit 1992 verliehen an Autorinnen und Autoren, die einen Bezug zum Niederrhein haben oder in ihrem Werk einen solchen Bezug herstellen.“

„Der Empfänger“ passe genau ins Profil des Preises und zeige gleichzeitig dessen Potenzial. „Es geht darum, bedeutsame Gegenwartsliteratur auszuzeichnen, die in Krefeld genauso begeistert gelesen wird wie in Berlin, wo Ulla Lenze wohnt; am Niederrhein genauso wie in den großen Feuilletons, die alle über das Buch geschrieben haben.“

Jurymitglied Renate Birkenhauer sagt in ihrer Laudatio über Lenze: „Sie ist eine versierte Weltreisende und sie versteht es meisterhaft, Großstädten ein Gesicht, ein Eigenleben zu geben. Aber sie geht auch menschlichen Seelen auf den Grund.“ Birkenhauer: „Mit ihrem fünften Roman begibt sie sich zum ersten Mal in eine historische Zeit, lange vor ihrer Geburt. In einem Interview erzählt die Autorin, ihre Mutter habe ihr 2013 einen Briefwechsel übergeben zwischen ihrem Großvater Carl und seinem Bruder Josef, der 1925 von Düsseldorf in die USA ausgewandert war und dessen Spur sich nach 1953 verlor. Ein Bündel von 180 Briefen und Fotografien. Was für ein Roman ist aus diesem Roh-Stoff von 180 Briefen geworden? Ein Entwicklungsroman und wie wir alle von der Jury einstimmig meinen: ein hochliterarischer.“