Jazz Gezogene Töne auf der selbst gebauten Mundgeige
Krefeld · Das Trio Digital Primitives begeisterte im Theater mit einer Rückkehr zu den Wurzeln des Jazz.
Was für ein Unterschied. Nach der hoch artifiziellen Musik des Florian-Weber-Quartetts beim ersten Konzert des Krefelder Jazzherbstes gastierte nun bei dieser Reihe das Trio Digital Primitives auf Einladung des Jazzklubs Krefeld im Theaterfoyer. Die Musiker verblüfften mit selbst gebauten Instrumenten und intuitiven Improvisationen über freie und einfache Formen. Dass Bandleader Cooper-Moore, geboren als Gene Y. Ashton, seine Musik gesanglich auch noch als Rückkehr zur „Mutter des Jazz“ verklärte, war vielleicht ein bisschen zu viel Lobpreisung des Traditionalismus.
Back to the roots, zurück zu den Wurzeln, das könnte man also als Motto des Abends bezeichnen. Allerdings hat Cooper-Moore unter anderem am Berklee College of Music in Boston studiert, der Kaderschmiede des Jazz in den USA schlechthin. Der gut ausgebildete Pianist wollte sich aber wohl von den akademischen Wurzeln lösen. Dazu passen seine selbst gebauten Instrumente. Das sind die Mundgeige Mouth bow, seine Bassgeige Diddly-bo, beide einsaitig, und sein bundloses, dreisaitiges Banjo.
Was intuitiv wirkt, ist das Ergebnis vieler Übungsstunden
Diese Instrumente vereint, dass sie alle drei nicht über festgelegte Druckpunkte für die jeweiligen Töne verfügen. Damit ist auch das Verlassen der für die abendländische Musik prägenden Diatonik vorprogrammiert. Beständig muss sich Cooper-Moore den bekannten Tönen annähern, was zur Folge hat, dass die Tongebung zwangsläufig mikrotonal ist. Das heißt, dass sie auch mit Intervallen arbeitet, die unter einem Halbtonschritt liegen. Die gängige Spielpraxis ist dann das Glissando, was in Blues, Rock und Pop etwa auf der Gitarre und Blasinstrumenten, auf denen man die Töne „ziehen“ kann, als Effekt nicht so ungewöhnlich ist.
Langer Rede kurzer Sinn: Cooper-Moores Spiel und die Konstruktion seiner Instrumente basieren auf einer Reihe bewusster Entscheidungen, und die Spielpraxis mag intuitiv wirken, was sie fast in einem Übermaß tut, aber sie bedarf auch ganz bestimmt einer kontinuierlichen Praxis, sprich: viel Übezeit, um sie so „natürlich“ wirken zu lassen – aber geschenkt.
Im Theater war an Cooper-Moore dann auch noch zu bewundern, wie sehr er sich in seine Musik hineinversenkte und dennoch auch auf seine Mitmusiker achtete. Und wenn er dann auch noch mit seiner angenehmen Baritonstimme unprätentiös und nur ein ganz wenig kitschig die Liebe pries – „Love is so wonderful“ – oder zum Abschied auch noch das Publikum zum Mitsingen des Refrains: „We‘re so happy to be alive“ animierte, dann konnte man sich dem kaum verschließen.
Erwähnt werden müssen natürlich noch die anderen Musiker. Der gebürtige Israeli Assif Tsahar spielt ein sehr schwarzes, süffig klingendes Tenorsaxophon mit viel rauem Subtone und – Überraschung – vielen gezogenen Tönen. Und der sehr versierte Drummer Chad Taylor, ist ein wandelndes Groove-Lexikon: Rock- und Funkbeats in vielen Variationen, sehr perkussive, afrikanisch angehauchte Rhythmen, triolische Muster von Shuffle bis Swing, aber auch freies Free-Jazz-Pulsieren – all das demonstrierte er ohne Qualitätsschwankungen und stets sehr druckvoll.
Cooper-Moore spielte neben seinen selbst gebauten Instrumenten auch noch ein weniger exotisches Instrument, eine kleine Traversflöte aus Holz mit eher geringem Tonumfang. Darauf gelang ihm etwa eine ziemlich meisterhafte Improvisation über den Standard „Motherless Child“. Das ist nicht gerade einfach auf einem derart beschränkten Instrument.
Eine lange Collage aus vielen gebundenen und wenigen freien Passagen präsentierte das Trio im ersten Set, im zweiten gab es dann eine Folge von mehreren Stücken, unter anderem den „Lovesong“ und das muntere „We‘re so happy“ zum Schluss. Zu Recht viel Applaus für ein außergewöhnliches Konzert.