Kresch-Premiere: Ein Kommen und ein Gehen von allen Seiten
Das Kresch-Theater hat sich an Peter Handkes Stück ohne Worte herangewagt. Dem Publikum gefiel’s.
Krefeld. Ein Stück ohne Worte, uraufgeführt an der Wiener Burg - da haben sich die Lehrerschauspieler im Kresch etwas Großes vorgenommen. Im Innenhof der Fabrik Heeder brachte die Laiengruppe Peter Handkes Stück "Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten" zur Premiere. Handke hat diese 60 Seiten Regieanweisung 1991 veröffentlicht.
Ein Dutzend Schauspieler und einen Platz braucht man für die Aufführung. Dafür ist der Innenhof der alten Tapetenfabrik bestens geeignet. Die Figuren können über drei Abgänge den Hof verlassen, außerdem noch zwei Türen zur Studiobühne Zwei und sogar die Innenräume vor großen Glasfenstern zum Hof nutzen.
Denn darin besteht das Stück: Ein Kommen und Gehen von allen Seiten. Mal mit Berührung, mal ohne. Mal mit Musik oder Geräuschen, mal ohne (Musik/Sound: Conan Fildebrandt, Franz Mestre). Da schreiten Einzelgänger - die Schönheit - solistisch über den gepflasterten Boden, da gehen Wanderer und Tourist aneinander vorbei, ohne einander zu bemerken. Da rast der Sportler - Nummer 482 - über den Platz und ein begabter Einradfahrer zeigt sein Können. Aber es gibt auch Gruppen. Vier Nonnen etwa, die im Gleichschritt auf- und getrennt abtreten, den dreiköpfigen harmonischen Chor oder die glitzernden Cheerleader.
Die Figuren, liebevoll ausgestattet von Ingrid Krusat-Dahmen und Jutta Plass, sind ganz alltägliche oder ganz skurrile Typen. Wer an diesem wunderbar warmen Sommerabend an einem anderen Platz in der Stadt gesessen hat, mag dieselben Typen vorbeigehen sehen haben. Nur nicht so konzentriert vielleicht wie auf dieser Hofbühne.
70 Figuren treten auf, verkörpert von zehn Lehrern und Schauspielfreunden, die sich in rasendem Wechsel umziehen und immer wieder eine neue Begabung vorführen. Hier wird ein Rad geschlagen, dort wird getanzt. Hier wird vom Narren der "Breitbeinige Mann" imitiert, dort zerrt eine Frau eine gefüllte Badewanne herbei. Manche der Gestalten treten auch in Verbindung mit den anderen, wie etwa der Pfarrer, der hinter der Braut her rennt, ohne sie zu erreichen. Viele Gestalten bewegen sich aber losgelöst durch den Raum.
Die Zuschauer - auf allen Stufen der Treppe und auch auf vielen Stühlen - entdeckten auch viel Komisches in diesen menschlichen Wegen und applaudierten herzlich.