Jazz an einem Sommerabend Lehmann schafft den musikalischen Spagat

An die 500 Zuschauer kamen zum 31. „Jazz an einem Sommerabend“ in die Burg Linn. Das letzte Trio auf der Bühne war beeindruckend.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Die letzten zwei Wochen vor dem Festival habe der Vorverkauf „noch einmal gebrummt“, sagt Martina Heffels, Vorsitzende des Jazzklubs Krefeld, und blickt ein wenig, aber wirklich nur ein wenig missmutig über die Besucher, die sich zum 31. Festival „Jazz an einem Sommerabend“ in der Burg Linn eingefunden hatten. Es sind knapp 500 Fans, im letzten Jahr waren es 200 mehr.

Am Wetter hat es dieses Mal nicht gelegen. Es war warm, nicht heiß, der Himmel war blau, eine leichte Brise wehte. Der Termin lag vielleicht zu knapp nach den Sommerferien, es fehlte vielleicht der ganz große Name auf dem Plakat. Alle drei Trios jedenfalls waren den Krefelder Fans bekannt, alle waren schon im Jazzkeller zu Gast.

Den Auftakt machte das Berliner Trio Slawin/Eldh/Lillinger, es hatte sich den New Yorker Trompeter Ralph Alessi als Gast dazu geholt, eine sinnvolle Ergänzung. Wanja Slawin spielte sein Altsaxophon süffiger als zuletzt, seine Linien wirkten eruptiver. Dazu bildeten der kühl-elegante Ton und die wie akademisch berechneten Linien Alessis ein stimmiges Pendant.

Die collageartigen Arrangements wurden von vor allem von Wirbelwind Christian Lillinger am Schlagzeug vorangetrieben, der zwischen flirrendem Drum’n’Bass, kantigem Rock oder jagendem Free-Jazz-Puls irrwitzig behände wechselte. Man hat es schon gehört, und doch verblüffte es wieder. Peter Eldh am Kontrabass zog versiert mit.

Wollte man es böse formulieren, folgte dann mit dem Trio des norwegischen Geigers Ola Kvernberg die „Pause“ in einem Programm, das an den Eckpunkten von Gruppen in der Tradition des Free Jazz’ bestimmt wurde. Um es positiv zu sagen: Mit der Musik Kvernbergs konnte man sich zwischendurch wieder erden.

Kvernbergs Musik lebt vom singenden Klang seiner Geigen, von seinen sehnsüchtig-melancholischen Melodien, von der Atmosphäre, die zwischen Walzer-Tango und Blues-Country-Song wechselt und ihre Mitte immer wieder in zeitloser Folkmusik findet, weniger im Jazz. Da liegt kaum ein Ton mal jenseits der Harmonien, da runden sich die liedhaften Formen immer von einem Anfang zu einem Ende. Das Publikum war Kvernberg, Steinar Raknes (Bass) und Erik Nylander (Schlagzeug) dankbar.

Mit dem New Yorker Altsaxophonisten Steve Lehmann und seinen Begleitern Matt Brewer am Kontrabass sowie Schlagzeuger Damion Reid war die „Pause“ dann wieder zu Ende. Lehmanns Stücke sind überkomplex strukturierte Langformen, die Brewer und vor allem Reid virtuos und lebendig mit Leben füllten. Die meist zugrunde liegenden Ostinati verschleierten oft per Akzentuierung ihre rhythmische Struktur.

Der einzig wirklich freie Spieler in seinem Trio ist Lehmann selbst, der seine Linien mit virtuoser Geläufigkeit, und klanglich äußerst farbenreich über die von Brewer und Reid markierten Formen legt. Lehmanns Musik schafft den Spagat zwischen intellektuellem Anspruch und drängendem Groove, zwischen abstrakter Architektur und intensivem Zusammenspiel — beeindruckend.