Martin Hyun: „Freunde nennen mich Kung-Fu-Panda“
Der frühere Eishockeyspieler Martin Hyun liest am Donnerstag in der Rheinlandhalle aus seinem Buch „Ohne Fleiß kein Reis“.
Krefeld. In Ihrem Buch beschreiben Sie Ihren Vater als despotischen Charakter. Haben Sie sich inzwischen damit abgefunden?
Martin Hyun: Ja. Ich habe meinem Vater den Spitznamen „chinesische Mauer“ verpasst. Ihn von den Trends der heutigen Zeit zu überzeugen, ist hoffnungslos. Er lebt in seiner koreanischen Welt, mit seinen zum Teil anachronistischen Lebensvorstellungen.
Welche sind das zum Beispiel?
Hyun: Auch bei Koreanern gibt es arrangierte Ehen, allerdings in liberaler Ausführung. Mein Vater hat vor mehreren Jahren versucht, eine perfekte Frau für mich zu finden — natürlich, ohne mir davon zu erzählen. Er vereinbarte ein Abendessen. Damit ich keinen Verdacht schöpfte, waren meine Mutter und meine beiden Schwestern mit von der Partie. Während wir aßen, rief mein Vater mich an. Das war komisch, mein Vater ruft mich sonst nie an. Da läuteten bei mir alle Alarmglocken. Und: Die Frau war erstens einen Kopf größer als ich und zweitens so kräftig gebaut wie eine russische Kugelstoßerin. Danach bat ich ihn um ein klärendes Vier-Augen-Gespräch. Er akzeptierte schweren Herzens, dass solch fundamentale Lebensentscheidungen von mir selbst getroffen werden.
Wie ist heute Ihr Verhältnis zu Ihren Eltern?
Hyun: Ich bin stolz auf meine Eltern, auf das, was sie mit ihrem Einsatz und ihrer Aufopferung erreicht haben. Sie kamen mit wenig Hab und Gut nach Deutschland und haben alles mit ihren eigenen Händen aufgebaut. Sie haben für die Ausbildung ihrer Kinder auf jeglichen Luxus und Lebensqualität verzichtet. Mein Vater hat in der Wäscherei eines Freundes gearbeitet, damit wir uns die teuren Lehrbücher kaufen konnten. In der Woche arbeitete meine Mutter als Krankenschwester, an Wochenenden noch zusätzlich in einem Pflegeheim. Sie gönnten sich keine Pause und keine Erholung, verkauften ihr Auto, um unser Studium zu bezahlen. Bei all dem, und darauf sind wir sehr stolz, benötigten wir nie die Unterstützung des Staates. Wir haben es alleine geschafft!
Warum wollten Sie unbedingt Politik studieren?
Hyun: Bei mir war es mehr ein inneres Gefühl. Ich wurde zwar unpolitisch erzogen wie die meisten koreanischen Kinder. Doch die Politik steckte in mir drin. Ich wollte die Prozesse kennenlernen und verstehen.
Was für einen Job haben Sie?
Hyun: Ich bin ein Mensch mit multiplen beruflichen Hintergründen. Eingrenzen möchte ich mich da nicht. In Deutschland wird der Anschein erweckt, dass man nur einen Beruf vernünftig ausüben kann. In meinen Berufen ist das Schreiben ein Hauptbestandteil. Das gefällt mir sehr gut. Denn das Schreiben erspart mir die Besuche bei einem teuren Psychologen. Für mich gilt es, viele Projekte anzuregen. Ich glaube, am Ende des Lebens zählen nicht der Kontostand oder das schöne Auto. Das sind vergängliche Dinge, die man nicht ins Grab mitnehmen kann. Vielmehr zählt am Ende, wie viel Gutes einer geleistet hat.
Im Titel Ihres Buches stecken die deutsche Tugend Fleiß und das asiatische Grundnahrungsmittel Reis. Ist Ihnen die Verbindung von Herkunft und Heimat gelungen?
Hyun: Gewichtsmäßig — ja, Gesichtsmäßig — nein. Meine Freunde nennen mich Kung-Fu- Panda. Aber zumindest kann ich immer sagen, dass ich durch meinen Fleiß stets meine Portion Reis bekommen habe.
Wie ist das Buch entstanden?
Hyun: Ich suchte die kostengünstigste Methode, mich selbst zu therapieren. Einen Psychologen konnte ich mir nicht leisten. Deshalb fing ich an zu schreiben. Seitdem fühle ich mich gut.
Ihr Buch trägt den Untertitel „Wie ich ein guter Deutscher wurde“? Was genau ist das?
Hyun: Das kann alles und nichts bedeuten. Für mich befindet sich der Begriff in einem schwebenden Zustand. Für den einen oder anderen genügt es für den Titel „guter Deutscher“ bereits, wenn er oder sie die Miete pünktlich überweist, auf Bonität geprüft und nicht bei der Schufa registriert ist. „Deutsch-Sein“ ist ein fortlaufender Prozess des Seins und des ständigen Werdens. Eine einheitliche Definition eines „guten Deutschen“ scheint komplex zu sein. Sie liegt immer im Auge des Betrachters. In Deutschland scheinen noch immer die äußerlichen Merkmale ausschlaggebend zu sein. Aus dem Grunde spiele ich mit dem Gedanken, mich auch optisch anzupassen. Das, so erscheint mir, die letzte Etappe zu sein, die mir noch fehlt, um ein „wirklich guter Deutscher“ zu werden.