Nachlass: "Gierig auf Menschenfleisch"
Eugen Gerritz hat über 30 Aktenordner und Briefwechsel an das Stadtarchiv übergeben.
Krefeld. Wenn Eugen Gerritz Briefe schrieb an Künstler und Autoren, an Redakteure oder Politiker-Kollegen, dann hatten diese immer etwas sehr Persönliches, einen fast süffigen Grundton von Ironie und Denkschärfe, gepaart mit Wissen, das er mal aggressiv, mal verbindlich einsetzte. Solche Briefe sind selten in heutiger Zeit. Man telefoniert per Handy oder quasselt in Arbeitsgruppen.
Diese Briefe des einstigen Krefelder SPD-Kulturpolitikers, Jahrzehnte lang Kultursprecher seiner Partei im Rat und im Landtag, promovierter Historiker und mehrere Jahre als Archäologe tätig, wandern nun vom Haus im Forstwald ins Stadtarchiv an der Girmesgath. Ganz gierig war Stadtarchivar Paul-Günter Schulte auf diese Art "Menschenfleisch". Hat er es doch meist nur mit drögen Akten zu tun, hinter denen nur wenig Geist, kaum Person und noch weniger Leben steckt. Alles nur "Vorgänge".
Im Stadtarchiv liegt bei der Übergabe ein dicker Aktenordner vor Gerritz: sein Briefwechsel mit Johannes Rau. Und Schulte deutet an, wie wichtig ihm (und seinen Zunftkollegen) solcher Zuwachs von mehr als 30 dicken Aktenordnern ist. Weitere folgen. "Persönliches", so Schulte, "teilen uns die meisten Akten nicht mit." Denn dabei erfahre man sehr viel mehr über die Zeitläufte, wenn denn das Niedergelegte - wie bei Gerritz - von humanistischer Bildung, von Wissen und Argumentationskraft unterfüttert ist. Und wenn dieses dann in Politik umgesetzt werde.
Eugen Gerritz: "Ich habe mich fast ein wenig geniert, als ich noch mal in den Ordnern blätterte. Es ist viel Persönliches dabei." Das gibt Anlass zu Erzählungen und Anekdoten. Mehrmals hatte er die hiesigen Zeitungen als Partner für seine Pläne gewinnen können. Wie damals, als er den Baustopp an der Düsseldorfer Landesgalerie verhinderte. Oder die Sache mit der hiesigen Polizeidirektion, die dann doch noch ein Präsidium wurde. Aber oft hat er "vor Wut auch in den Teppich beißen können", wenn eine seiner Strategien nicht aufging.
Woran war der Krefelder Kulturpolitiker beteiligt, hat angestoßen und verwirklicht? Die Gründung des Museums Moyland, die Oranier-Schau, die Einrichtung der Artothek, die Literaturhäuser, der Literaturrat, vor allem die Stiftung Archäologie durch Rheinbraun, die so manche Weltsensation ans Tageslicht brachte, etwa den berühmten Steinzeit-Brunnen von Kückhoven.
Ein heute noch virulenter Geist, dieser Gerritz, der beim Blättern auch noch an Dinge erinnert wurde, die er völlig vergessen hatte. "Hier und da habe ich auch ganz privat manchen Leuten helfen können."