Nehmen Sie ruhig Platz auf der Kunst
Nicht überall dürfen Sie sitzen, aber von ausgewählten Designer-Stühlen aus können Sie die beiden neuen Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum in Ruhe auf sich wirken lassen.
Hochkarätiges Design damals und heute. Zwei Ausstellungen, die heute Abend im Kaiser-Wilhelm-Museum (KWM) eröffnet werden, machen dies auf eindrucksvolle Weise sichtbar. Mit der Präsentation „Peter Behrens. Das Praktische und das Ideale“ stellt das Museum erstmals das Werk eines Künstlers in den Fokus, der in der hauseigenen Sammlung umfangreich vertreten ist. Die zweite Schau „Von der Idee zur Form Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“ ist aus einem erst kürzlich erfolgten Zuwachs der Sammlung entstanden. „Die Sammlung ist Ausgangspunkt für alles, was wir hier machen“, sagt Museumsdirektorin Katia Baudin.
Etwa die Hälfte seiner Werke im Bestand des Museums werden gezeigt. Die beiden Ausstellungen, die man in der ersten Etage bei einem Rundgang unmittelbar hintereinander erleben kann, bilden für Baudin einen „spannenden Dialog“. 250 Werke von Peter Behrens (1868-1940) befinden sich in der Sammlung des KWM. „Er hatte für das Museum eine prägende Funktion“, erklärt Kuratorin Magdalena Holzhey. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung des KWM nahm der damalige Direktor Friedrich Deneken mit Behrens Kontakt auf. Der 150-seitige Briefwechsel, der bisher kaum erforscht war, wurde jetzt eine wichtige Quelle für die Ausstellung. Er ist auch ein Thema in den insgesamt sechs Räumen der Präsentation.
Ungefähr die Hälfte des Behrens-Bestandes wird auf eine sehr ansprechende Weise gezeigt. Ausgehend von ersten noch ganz dem Jugendstil verhafteten Bildern und Entwürfen wird die rasante Entwicklung des Künstlers und Architekten zum Wegbereiter des modernen Designs nachgezeichnet. „Er ist eine Scharnierfigur zwischen dem 19. Jahrhundert und der Moderne“ sagt Holzhey. Zu sehen sind viele Holzschnitte und Plakate, aber auch Entwürfe für Tapetenmuster und Bucheinbände. Auch Gläser und Porzellan, das Behrens 1901 für sein berühmtes Haus Behrens auf der Mathildenhöhe in Darmstadt entwarf, sind in Vitrinen zu sehen.
Wie Behrens in einem Brief an Deneken schrieb, strebte er in seinen Entwürfen „das Praktische und das Ideale“ an. Wie perfekt ihm das gelang, zeigt seine umfangreich dokumentierte Tätigkeit für die damals aufstrebende Firma AEG. Behrens wird deren künstlerischer Berater und schafft als solcher erstmals eine „Corporate Identity“. Er entwirft das Firmenlogo und Produkte, wie Lampen und Ventilatoren. Als Architekt zeichnet er auch für das Firmengebäude verantwortlich. Die Montagehalle der AEG-Turbinenfabrik gilt als erster moderner Industriebau in Deutschland. Ein Modell des Gebäudes haben Studenten der Düsseldorfer Peter Behrens School of Arts nachgebaut. Sie sind auch für die insgesamt sehr geschmackvolle Ausstellungsarchitektur verantwortlich.
Design-Studenten der Hochschule Niederrhein haben der zweiten Ausstellung „Von der Idee zur Form“ ein ansprechendes Aussehen verpasst. Bei der Vorbesichtigung gab es dazu viel Lob von Bruno Domeau und Philippe Pérès. Ein Überblick über ihr hochkarätiges handwerkliches Schaffen, dass in enger Zusammenarbeit mit internationalen Designern in den vergangenen zwanzig Jahren entstanden ist, steht im Mittelpunkt der Schau. Im vergangenen Jahr hat das KWM eine umfangreiche Schenkung von Möbeln und Archivmaterial der Firma Domeau & Pérès erhalten (die WZ berichtete). Die Ausstellung präsentiert ausgewählte Beispiele von Sitzgelegenheiten, Tischen und anderem Mobiliar, bei dem handwerkliche Perfektion und ausgefallenes Design eine perfekte Verbindung eingehen. Dabei wird auch deutlich, dass die Formensprache von Domeau & Pérès sehr puristisch und reduziert ist und sich oft an einer plastischen Formensprache orientiert. Viele Möbel darf der Besucher sogar ausprobieren und bekommt so noch einen direkteren Zugang zu den Entwürfen.
Eine zeitlose Eleganz zeichnet diese Arbeiten aus, was durch einige kluge Gegenüberstellungen mit anderen Werken aus der Sammlung noch hervorgehoben wird. So befinden sich in einem Raum Möbelentwürfe (1928/30) von Sophie Taeuber-Arp, die Domeau & Pérès in einer limitierten Edition nachgebaut haben. Dazu hängen die kürzlich in die Schlagzeilen geratenen vier Mondrian-Bilder.
Eine gewagte Gegenüberstellung findet man im letzten Raum, wo mit Entwürfen des deutsch-ungarischen Designers Peter Ghyczy eine weitere Schenkung präsentiert wird. Sein aus Kunststoff gefertigtes Mobiliar aus den späten 1960er Jahren wird hier mit einigen Stücken aus der hauseigenen Sammlung von hundertjährigem Kayserzinn gezeigt. Damit ist wieder eine geschickte Verbindung zur Behrens-Ausstellung geschaffen und es zeigt einmal mehr die enge Verflechtung von Kunst und Design, von den Anfängen des KWM bis heute.