Operette: Mord ist okay, solange man höflich bleibt
Regisseur Hinrich Horstkotte zeigt „Die lustigen Nibelungen“ als Prototypen gut situierter Heuchelei — ein Vergnügen.
Krefeld. Gastlich sind sie, die Germanen. Gut, dem einen oder anderen Besucher trachten sie nach dem Leben, lauschen an Türen, spinnen Intrigen, strecken die Finger nach fremdem Geld aus, rühren Gift in den Morgenkaffee, zielen mit Lanzen auf empfindliche Stellen. Aber das sind lässliche Sünden, solange man dabei höflich bleibt.
Als Prototypen gut situierter Heuchelei lässt Regisseur Hinrich Horstkotte „Die lustigen Nibelungen“ auf das Publikum los. Wie die viel beklatschte Premiere der Operette von Oscar Straus (Musik) und Rideamus (Text) am Sonntag zeigte, ist das genau der richtige Ansatz: Diese Sippe schreit nach Karikatur.
Vor allem optisch gelingt das hervorragend. Auf einer grässlich grünen Tapete drapiert Horstkotte, der auch Bühnenbild und Kostüme entworfen hat, eine Ahnengalerie des Grauens, in der auch Guido Westerwelle und Wagners Urenkelin Katharina ihren Platz finden. Am Eingang zur Burg steht der Spruch von den bösen Menschen, die keine Lieder haben, was im Lauf der Operette eindrucksvoll widerlegt wird.
Denn die Gestalten, die an der langen Tafel Platz nehmen, sind nicht minder gruselig als die Ahnen über ihnen: die eisige, mit Geweih gekrönte Ute (Eva Maria Günschmann), ihr orientierungsloser Mann Dankwart (Hayk Dèinyan), der tuntige Volker (Rochus Triebs), der kindische Giselher (Gabriela Kuhn), die sehr blonde Krimhild (Debra Hays) und Gunther (Rafael Bruck), der königliche Waschlappen. Liebling des Abends ist allerdings der grimme Hagen: Matthias Wippich gibt ihn auf Knien rutschend als abgebrochenen Riesen, die viel zu langen Arme neben dem Körper baumelnd — rund 1,20 Meter köstlich schlurfende Ironie.
Gunther, dessen Namen sich auf munter und runter reimt, was einigen hübschen Kalauern den Weg bereitet, will sich mit der resoluten Brünhild (Janet Bartolova) verheiraten. Um im geforderten Boxkampf gegen die Amazone bestehen zu können, verpflichtet er Siegfried (Markus Heinrich), der wiederum ein Auge auf Krimhild geworfen hat. Das Verwirrspiel nimmt seinen Lauf.
Genau dort beginnt Horstkottes Konzept, so richtig zu greifen. Er verlässt sich nicht auf die vorhersehbaren Irrungen der Handlung, sondern dreht selbst mächtig an der Turbulenzschraube. Da werden ganze Küchen und Schlafzimmer auf die Bühne geschoben und bis zur Decke mit schrulligem Personal gefüllt, zwei kleine grüne Drachen dürfen in ihrem Kinderwagen kraftvoll zubeißen, sogar ein Grillhähnchen erwacht zum Leben, ganz zu schweigen von all den herrlichen Zwischenfällen, die fast unbemerkt am Bühnenrand geschehen.
Begleitet von schwungvollen Sinfonikern (Leitung: Andreas Fellner) steigern sich die Sänger in eine Art rasenden Nibelungen-Comic hinein. Der Staub, der auf der Sage liegt, verschwindet dadurch nicht vollständig. Doch er wird ordentlich aufgewirbelt.
Weitere Termine ab 6. November. Karten unter Telefon 805 125.