Orchester applaudiert Gastdirigenten

Die Niederrheinischen Sinfoniker engagieren für einen russischen Abend Nikolay Alexeev aus St. Petersburg.

Foto: Dirk Jochmann

Für ihren russischen Abend haben die Niederrheinischen Sinfoniker einen höchst kompetenten Gastdirigenten engagiert: Nikolay Alexeev. Der als „Volkskünstler Russlands“ ausgezeichnete Musiker ist seit dem Jahr 2000 Dirigent des Philharmonischen Orchesters St. Petersburg. Als Gastdirigent konzertierte er mit international namhaften Orchestern.

Aktuell nach dem Kalender der russisch orthodoxen Kirche, das heißt, eine Woche nach ihrem Osterfest, beginnt das Konzert mit Nikolai Rimski-Korsakow (1844-1908) und seinem Werk „Russische Ostern“ Ouvertüre über liturgische Themen op. 36. Im Original handelt es sich bei dieser liturgischen Musik um Gesänge a cappella. Verschiedene Szenen des österlichen Geschehens hat der Komponist teils in sehr anschaulicher Programmmusik umgesetzt.

Die Holzbläser übernehmen einleitend den Part der Kirchenglocken, dann schaffen Geigen — als Solistin Chisato Yamamoto —, die Bläser und die Harfe eine freundliche Feiertagsstimmung. Ein Ostersonntag, der seinem Namen alle Ehre macht, wird dann abrupt unterbrochen: Bedrohliches, Dramatisches erklingt. Die Geigen mit einem flirrenden Spiel, fünf Schlagzeuger im Einsatz, dann eine Posaune, die Verlorenheit überzeugend darstellt — diese Dramatik kann unter die Haut gehen. Es zeigt sich, dass der Gastdirigent das ihm fremde Orchester bestens leitet.

Die Niederrheinischen Sinfoniker zeichnen eindrucksvolle wie kontrastreiche Bilder von russischen Ostern. Mit einem monumentalen Abschluss, der die frohe Botschaft des Ostergeschehens, den Triumph über den Tod darstellt, endet das hierzulande kaum bekannte Werk. Für ihre großartige Interpretation erhalten die Musiker schon einen langen Applaus.

In die russische Moderne entführt das Violoncellokonzert Nr. 1 Es-Dur op. 107 von Dimitri Schostakowitsch (1906-1975) mit dem Solocellisten Norbert Anger. Seit 2015 ist der vielseitig aktive Musiker unter anderem Solocellist des Bayreuther Festspielorchesters. Zahlreiche Facetten eines meisterlichen Spiels kann Anger vorstellen.

Stark rhythmisch akzentuiert wie virtuos im Allegro, dann nahezu herzzerreißend klagend und in leiser Trauer, sphärischer Verlorenheit im zweiten Satz Moderato. Eindrucksvoll sind dabei auch die Geigen, die ein feines Gespinst als Klangteppich für den Solisten schaffen. Eine starke, fesselnde Stimmung entsteht, man könnte im Saal eine Stecknadel fallen hören. Virtuos und temperamentvoll tänzerisch kann der Solist im letzten Satz besonders glänzen. Dieser endet so plötzlich, dass es das Publikum gar nicht so schnell wahrnimmt und von einem schnellen Dirigent erst darauf hingewiesen werden muss. In den begeisterten Applaus stimmt auch das Orchester mit ein.

„Zur Beruhigung der Nerven“, so Anger, bietet er als Zugabe die obligatorische Bachsuite für Solocello. Ein besonderer Reiz dabei ist, dass dieses Instrument, dem er viele Klangfarben zu entlocken versteht, aus der Zeit Johann Sebastian Bachs (1685-1750) stammt. Das Cello aus dem Jahr 1720 entstand in Neapel in der Werkstatt von Alessandro Gagliano. Nach der Pause folgt einer der bekanntesten russischen „Klassiker“, die Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64 von Peter Tschaikowsky (1840-1893). Die Niederrheinischen Sinfoniker beweisen auch mit diesem Werk, wie hervorragend sie sich auf die russische Musik angeleitet durch einen russischen Dirigenten einstellen können.

Fein nuancierte Tonbilder von großer Homogenität werden geboten, und dem sogenannten „Schicksalsthema“, das sich durch die gesamte Sinfonie zieht, geben die Musiker auch in seinen Variationen einen Ohrwurmcharakter. Der triumphale Schluss der Sinfonie passt wunderbar zu diesem Konzertabend. Eine großartige Leistung aller und begeisterter Applaus auch vom Orchester für seinen Gastdirigenten.