Tänzer sorgen für rauschende Premiere
Mit stehenden Ovationen honorieren die Zuschauer die Uraufführung „Nachtvariationen“ des dreiteiligen Ballettabends von Robert North.
Variationen von Johann Sebastian Bach bis Maurice Ravel bilden den roten Faden für den neuen dreiteiligen Ballettabend von Robert North, der jetzt im Theater Krefeld eine umjubelte Premiere feierte. Wie stets bei den vielseitigen Choreografien des Ballettdirektors sprang der Funke beim Publikum bereits beim ersten Stück des Abends über.
Bei der Uraufführung „Nachtvariationen“ handelt es sich um ein Werk, das von Bachs berühmten Goldberg-Variationen inspiriert wurde. André Parfenov, Pianist und Komponist am hiesigen Theater, arbeitete bereits mehrfach eindrucksvoll mit North zusammen. Jetzt hat er unter dem Titel „New Goldberg Variations“ seine eigene Version geschaffen und am Flügel vorgetragen.
Die kurzen Stücke von ganz unterschiedlichem Charakter bilden den perfekten musikalischen Rahmen für die Choreografie, die in nächtliche Traumwelten führt. Angelehnt an die historische Figur eines Grafen, der an Schlafproblemen litt und Bach den Auftrag gab, für seinen Cembalisten Goldberg die Variationen zu komponieren, steht ein träumender junger Mann (Alessandro Borghesani) im Mittelpunkt. In verschiedenen kurzen Sequenzen werden seine Sehnsüchte und Ängste thematisiert. Er begegnet einer Frau (Irene van Dijk), die er immer wieder zu verlieren droht. Die mal impulsiv, mal geheimnisvoll und manchmal fast jazzig klingende Musik, die auch rhythmisch sehr variiert, spiegelt diese Gefühlswelt differenziert wider. Fünf Paare als Traumgestalten umgeben das zentrale Paar, das sich in einem sehr poetischen Pas de Deux findet.
Bewegungsabläufe und Musik greifen perfekt ineinander, die Tänzer lassen die klaren Strukturen des Vorbilds Bach noch erkennen. Immer wieder gibt es auch humorvolle Anspielungen an kindliche Träume mit hüpfenden und schwebenden Gestalten. Zarte Kritzeleien auf einem weißen Prospekt und die etwas nüchtern wirkenden hellgrauen Kostüme (Ausstattung Udo Hesse) schaffen eine eher neutrale Optik.
Klaviermusik, von Parfenov einfühlsam interpretiert, bildet den musikalischen Rahmen für das Mittelstück des Abends. Es ist eine ältere, mit mehrfachen Preisen ausgezeichnete Choreografie von North. „Für meine Tochter“ heißt das aus mehreren kurzen Szenen bestehende Stück, das den frühen Tod der Tochter des Komponisten Leos Janácek zum Thema hat.
In seinem Klavierwerk „Auf verwachsenen Pfaden“ lässt Janacek die Erinnerungen an seine Tochter lebendig werden. Melancholie, aber auch heiter-volkstümliche Anklänge durchziehen dieses Werk, das von North mit der ihm eigenen Sensibilität in Tanz umgesetzt wird. Alessandro Borghesani und Elisa Rossignoli überzeugen als Vater und Tochter, besondere Akzente setzen Irene van Dijk und Yoko Takahashi als Schwalben. Die farbenfrohe Ausstattung (Andrew Storer) bedient leider zu sehr folkloristische Klischees. Ganz anders ist das im letzten Teil, dem weltberühmten „Bolero“ von Maurice Ravel.
Auf einer leeren Bühne und mit geschmackvollen Kostümen in Orange und Schwarz (Luisa Spinatelli) entwickeln fünf Paare einen Tanz, der mit seiner militärischen Präzision, dem sich steigernden Tempo und der mitreißenden Dynamik alle Facetten dieses Stückes wunderbar auslotet.
Ganz ohne Dekor wird hier eine südliche Atmosphäre voller Energie sofort spürbar. Auch das Thema Variation wird hier noch einmal auf spannende Weise durchgespielt. Mit diesem Tanz auf höchstem Niveau erreicht der Abend einen brillanten Höhepunkt. Dementsprechend reagiert das Publikum mit stehenden Ovationen.