Orgelkonzert mit Swing, Jazz und Zurufen des Publikums

Claus-Erhard Heinrich begeistert in St. Dionysius.

Foto: Andreas Bischof

Mit zwei Besonderheiten wartete das Konzert des Internationalen Orgelzyklus 2017 am vergangenen Sonntag auf. Ein musikalisches Thema sollte sich durch das halbe Konzert ziehen, nämlich Martin Luthers Lied „Aus tiefer Not“ in drei Variationen. Die andere Hälfte des Konzerts versprach ein besonderes Musikerlebnis durch die Improvisationen von Claus-Erhard Heinrich (Jahrgang 1960), dem Halberstädter Domorganisten.

In der gut besuchten Dionysiuskirche konnte der musikalische Hausherr Andreas Cavelius dazu auch gleich das Publikum einbeziehen. „Die Improvisation ist eine der Königsdisziplinen für den Organisten. Sie können heute das Programm mitgestalten, denn sie haben drei Wünsche aus dem Gotteslob frei.“ Und er fügte hinzu, dass Improvisation zu Bachs Zeiten bei einer Bewerbung für eine Organistenstelle üblich war. Man sagte dem Kandidaten: „Der und der Choral — spielen Sie mal.“

Heinrich beginnt sein Programm mit Martin Luthers „Aus tiefer Not“. Aus tiefen, weich klingenden Registern arbeitet sich das Thema empor. Nahtlos geht das Spiel über in eine Improvisation, die aber durch neue Klangfarben und das Bearbeiten in Variationen schnell deutlich wird. Dabei hat der Organist sichtlich Freude daran, das Spektrum der Klais-Orgel voll auszuschöpfen. Eine dramatische Interpretation, die das Jüngste Gericht darstellen könnte, lässt er nicht aus. Kontrast und Sprung folgen sogleich mit Wolfgang Amadeus Mozarts Adagio und Allegro für eine Orgelwalze KV 594.

Beruhigende minimalistische und harmonische Klänge, wie sie von einem Musikautomaten des 18. Jahrhunderts oder einer kleinen Orgel jener Zeit stammen können, füllen den Raum. Das Allegro registriert er etwas strahlender und bietet eine verhaltene Heiterkeit mit seiner Interpretation.

Beim ersten Satz von Felix Mendelssohn Bartholdy Sonate in A-Dur (op. 65 Nr. 3), einem „Con moto maestoso“ wird das Majestätische sofort hörbar. Als Kontrast stellt er den Mittelteil heraus, der wieder das düstere Thema von Luthers „Aus tiefer Not“ verarbeitet.

Der zweite Satz Andante tranquillo macht seinem Namen alle Ehre, romantisch und liedhaft interpretiert Heinrich das Stück durch seine Registerwahl. Dann folgen die spontanen Improvisationen nach Publikumswünschen; die Nummern aus dem Gotteslob reichen als Zuruf. Mit zeitgenössischer meditativer Orgelmusik geht es weiter.

Heinrich trägt sein „musikalisches Heimspiel“ aus dem Halberstädter Dom in die Dionysiuskirche und spielt Sequenzen von John Cages Organ2/ASLSP (1987) „As SLow aS Possible — So langsam wie möglich“, das seit 2000 in Halberstadt aufgeführt wird. Vertrauter sind dagegen seine Improvisationen über bestens bekannte Spirituals. Damit beweist Heinrich seine Vielseitigkeit noch auf einem weiteren Feld, der Musik mit swingenden und jazzigen Anklängen. Aber er bietet auch einen kleinen Exkurs in keltische Musik und zeigt, dass die Klais-Orgel auch die passenden Register hat, eine irische Zinnflöte zum Klingen zu bringen. Selten hat man solch ein abwechslungsreiches Orgelkonzert gehört.