Ballett Strawinsky trifft Offenbach im Theater
Robert North präsentierte gleich zwei Ballette an einem Abend. Das Publikum war begeistert.
Krefeld. Als Igor Strawinsky 1882 geboren wurde, war Jacques Offenbach bereits zwei Jahre tot. Auch musikalisch gibt es keine Berührungspunkte, Tradition und Moderne prallen da heftig aufeinander. Genau dieser Gedanke reizte Ballettdirektor Robert North, eine fiktive Begegnung der beiden zum Mittelpunkt seines Stücks „Offenbach“ zu machen.
Diese originelle Idee erfährt noch eine Steigerung, in dem es mit einem Strawinsky-Ballett zu einem zweiteiligen Ballettabend kombiniert wird: „Petruschka/Offenbach“. Das Ergebnis ist ein starker Tanzabend, der jetzt im Krefelder Theater seine umjubelte Premiere hatte. „Petruschka“ ist ein moderner Klassiker der Ballettgeschichte. Die Geschichte vom Puppenspiel auf einem russischen Jahrmarkt ist streng vorgegeben und die Handlung spiegelt sich bis in Details in der sehr plastischen Musik wider.
Trotzdem hat Robert North das Stück behutsam modernisiert, in dem er es im heutigen Russland ansiedelt. In Blau, Rot und Grau sieht man eine Stadtansicht, sieben bewegliche Elemente fügen sich schnell zu verschiedenen Szenenbildern zusammen. (Bühne und Kostüme Andrew Storer).
Auf klare Formen und Farben reduziert, wirkt das anschaulich und abstrakt zugleich. Grau gekleidete Stadtmenschen agieren mit ihrem Smartphones, Dorfmusikanten und Zigeunerinnen mit einem Bären bringen Volkstümliches ins Spiel. Ein Scharlatan (Luca Ponti), der mal als alter Mann oder Todesfigur erscheint, erweckt die Puppen zum Leben. Gespielt wird nicht nur das klassische Eifersuchtsdrama zwischen Petruschka (Alessandro Borghesani), Ballerina (Elisa Rossignoli) und dem Mohr (Raphael Peter), sondern es wird auch um eine politische Nuance erweitert.
Petruschka ist der inhaftierte Oppositionelle, der Mohr ein fieser Geheimdienstoffizier. Das gibt dem Stück mehr Frische, ohne das es aufgesetzt wirkt. Der dominanten und sperrigen Musik, die von den Niederrheinischen Sinfonikern unter Alexander Steinitz sehr engagiert interpretiert wird, setzt die Choreografie großartig getanzte, starke Bilder entgegen. Nach diesem gehaltvollen Auftakt folgt im zweiten Teil mit „Offenbach“ ein prickelnder Champagner-Cocktail. Bereits der rote Rüschenvorhang, aus dem Offenbach zu Beginn keck seinen Kopf, Arme und Beine hervor steckt, deutet das an.
Seine Operette „Orpheus in der Unterwelt“ wird zu einem Leitfaden. North schickt den verstorbenen Komponisten aus der Unterwelt in das Paris des frühen 20. Jahrhunderts. Dort trifft er, begleitet von einer zauberhaften Muse, der „Seele von Paris“ (Karine Andrei-Sutter) auf eine moderne Kunstszene. Er bestaunt Rodins Skulptur „Der Kuss“, ist entsetzt von Picassos Bildern, und trifft Strawinsky und den kugelrunden Ballettimpresario Serge Djagilew. Zwischendurch tanzt er mit entzückenden Eiffelturm-Frauen und impressionistischen Damen.
Eine Fülle wunderbarer Einfälle kennzeichnet das ganze als kurzweilige Revue. Eine kongeniale Idee ist es, die sprudelnde Offenbachmusik mit Sequenzen von Strawinsky zu durchbrechen. Die Niederrheinschen Sinfoniker meistern diesen Wechsel mit Bravour. Gegen Ende tanzen alle vereint zum berühmten Can-Can, für den North, entgegen dem üblichen Rüschenrock-Klischee, eine viel schönere Lösung findet.
Zum Star des Abends wird Paolo Franco als leicht skurriler und unglaublich quirliger Offenbach, der nur zögernd seiner Muse wieder in die Unterwelt folgt. Ein hinreißendes Stück, das vom Premierenpublikum mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.