Tanz NRW: Theater ist eine große Lüge

Der Choreograf Morgan Nardi treibt Schabernack mit der Wahrheit. Das „Echte“, sagt er, ist auf der Bühne nicht zu haben.

Krefeld. Dreimal setzt er zu einer autobiografischen Erzählung an. Einmal will er 48 Jahre alt sein, dann wird er zunehmend jünger. Auch andere Details in den Geschichten ändern sich, so wie sich die Kostüme ändern, ja sogar die Haarfarbe. Der in Düsseldorf lebende Choreograf und Tänzer Morgan Nardi treibt Schabernack mit Wahrheit und Lüge in seiner „One M(org)an Show“. Mit dieser Produktion begann jetzt für Krefeld das Landesfestival Tanz NRW in der Fabrik Heeder.

Werdegang, berufliche Stationen, Ärger über einen blonden Konkurrenten, sexuelle Orientierung — unverfängliche und eher private Details vermischt Nardi zunehmend. Witzige Brechungen der Darstellung treiben die Figur auch in die Karikatur. Etwa, wenn er unhörbare Fragen in verschiedenen Sprachen beantwortet, als befände er sich auf einer international besetzten Pressekonferenz.

Die „falschen“ Selbstdarstellungen wechseln sich mit Tanzsequenzen auf der Bühnenschräge ab. Mal krabbelt Nardi sportiv immer wieder hinauf, dann entledigt er sich der Sisyphos-Rolle, indem er barock hinabtänzelt.

Selbst den Akt der vermeintlich höchsten Wahrheit, nämlich das Bekenntnis der Lüge, überhöht er so dramatisch, dass man zwar — wie offenbar gewünscht — zusammenzuckt, aber sich dann umso mehr bewusst wird: Auch das war Inszenierung, also nicht für bare Münze zu nehmen.

Den Schlusspunkt setzt ein langes Off-Zitat aus den „Bekenntnissen“ des Kirchenlehrers Augustinus, darauf hätte Nardi verzichten können. Ansonsten wird die Performance umso kurzweiliger und amüsanter, je mehr Lügen Nardi auftischt.

Seine Show ist ein augenzwinkerndes Bekenntnis zur Vieldeutigkeit von Kunst und eine Absage an diejenigen, die im Theater oder den medialen Bühnen unserer Zeit nach Authentizität hecheln. Das „Echte“ hat einen hohen Stellenwert im Publikumsinteresse, aber, so sagt es Nardi: Es ist nicht zu haben.