Tanz Eine Modenschau für Jacques Offenbach?

Krefeld · Tanzreihe Move-in-town bespielt diesmal die Räume der Hochschule. Die Performance von Choreograph Emanuele Soavi und seinem Team steht im Zeichen des deutsch-französischen Operettenkomponisten und dessen 200. Geburtstag. Geht aber weit darüber hinaus.

Emanuele Soavi Incompany aus Köln wird in den Räumen der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Design, in Krefeld eine Tanzperformance zum Offenbach-Jahr zeigen. Auf dem Foto eine der Performerinnen, Lisa Kirsch.

Foto: Joris-Jan Bos

Der Kölner Jacques Offenbach, den es schon früh nach Frankreich zog, wäre dieses Jahr 200 Jahre alt geworden. Denkt man an Offenbach, so denkt man an die glitzernd-heitere Operettenwelt. Doch diese Welt war immer schon, auch zur Zeit ihrer Entstehung, ein Hybrid – ein Mischwesen – zwischen unbeschwerter leichtfüßiger Unterhaltung und bisweilen beißender Gesellschaftskritik. Jene versteckte sich nicht selten hinter gekonnt verschleierten Andeutungen, Brüchen zwischen musikalischem Kommentar und Text oder auch von subtil bis emphatisch überbordender Überzeichnung. Kurz Operette ist mehr als Heile-Welt-Schwelgerei und war es in vielen Fällen auch schon zu ihrer Entstehung. Die Schöpfungen Offenbachs und seiner Kollegen hielten der Gesellschaft einen mit buntesten Farben versehenen Zerrspiegel vor. Diese Janusköpfigkeit von Operette macht sie auch noch heute zu einer ästhetisch vielseitig aufgeladenen Inspirationsquelle für viele performative Künstler.

Move-in-Town geht an die Hochschule Niederrhein

Die Reihe Move-in-town, die seit 2014 zeitgenössischen Tanz auf diverseste Weise mit öffentlichen Orten in der Stadt in Dialog setzen möchte, wird sich in diesem Jahr just um eine Performance drehen, die sich dieser Inspirationsquelle bedient. Der italienische Choreograf Emanuele Soavi – unter seinem Label Emanuele Soavi incompany in Köln heimisch geworden – setzt sich in seinem „The Offenbach Project (2019)“, anlässlich des 200. Geburtstags des Komponisten mit dem Phänomen „Mythos als gesellschaftskritische Entertainment-Maschine“ auseinander. Ein Teil dieses Projektes werden Performances in Krefeld sein. Diese bespielen diesmal das Gebäude des Fachbereichs Design der Hochschule Niederrhein inklusive dessen Vorplatz und Innenhof. Auch wenn sich die Choreografie von Soavi nicht explizit mit dem Gebäude diskursiv auseinandersetzen wird – Tanz und Architektur ist bisweilen eine willkommene Vorlage für zeitgenössischen Tanz –, so ließ man sich in der Konzeption dennoch von dem Kontext des Ortes beeinflussen.

Die Performance ist bewusst als eine als Parcours, eine Art „Roter Teppich“, oder Modenschau angelegt, bei der die brüchige Spiegelung von Realitäten, Selbst- und Fremdbildern, Identität und deren Infragestellung Station um Station verhandelt werden soll. Vielleicht wird sich dieser „Zug“ durch die Räume der Hochschule zu einem unvorhergesehenen selbstreferenziellen System entwickeln. Das heißt, Publikum reagiert auf Performer, Performer reagieren auf das Publikum, die Rolle der Beobachter mischt sich mit der Rolle der Darstellenden. Wichtig ist für das Team um Soavi, dass es keinen inhärenten – der Performance innewohnenden – Bezug zur Ästhetik der Operette gibt. Zumindest nicht offensichtlich, nicht auf der Oberfläche. Aber gerade um das Spiel mit Oberfläche und Dahinterliegendem, mit Maskierung und Demaskierung geht es wahrscheinlich schlussendlich.

Einen direkten Bezug zu Offenbach als Person, der übrigens ein hervorragender Cellist war, gibt es indes durchaus, allein schon durch die Musik, die vor Ort von zwei Cellisten gespielt, Teil der Performance wird. Soavi hat übrigens im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen aus der zeitgenössischen Choreografen-Szene eine Vorliebe für den realen instrumentalen Klang als Teil einer Performance. Wie beispielsweise auf besonders anschauliche Weise schon in seiner Performance  „#auferstanden“ in Kooperation mit dem Vokalensembles Cantus Cölln 2018 zu sehen war. Wobei sein Schaffen ein breites Spektrum tänzerischer Recherchen und Diskurse zeigt, die auch Genregrenzen überschreitet.

Wie genau die bewegungskünstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Offenbach“ aussehen wird, kann man zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, aber der Titel „Larmes bouffes – Komische Tränen“ lässt auf eine mit Humor und Melancholie gefügte sanft-rebellische Auseinandersetzung hoffen. Und gerade in diesen scheinbaren Widersprüchen liegt der Zauber von Offenbachs Musik, sein Erbe.

Samstag, 13. Juli, und Freitag, 19. Juli, jeweils 20 Uhr in der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Design, Frankenring 20. Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. Es gibt keine Bühne und keine Bestuhlung, das Ensemble bewegt sich frei durch die Gebäude und das Gelände der Hochschule. Bei schlechtem Wetter wird die Veranstaltung unter Umständen den Bedingungen gemäß modifiziert.