Krefeld Theater hintenlinks wagt mutig Neues
Mit neuer Sitzordnung, einem Spezial-Ticket für Geringverdiener und der neuen Reihe „Nachtasyl“ starten die Gutowskis durch.
Krefeld. Im Theater hintenlinks wird sich in diesem Jahr einiges ändern. Anuschka und Peter Gutowski haben in den vergangenen Monaten aus vielfältigen Gründen heraus das Konzept ihres Theaters auf den Prüfstand gestellt. Bewährtes wird so bleiben, wie es war, aber es wird auch einschneidende Veränderungen geben. „In Teilen der künstlerischen Arbeit wird sich das THL neu erfinden müssen“, erklärt Peter Gutowski. Um das Theater für die nächsten Jahre fit zu machen, wird es Veränderungen im Spielplan geben.
Ab der Spielzeit 2017/18 werde es beispielsweise eine neue Vorstellungsreihe geben. Mit spannenden neuen Projekten wollen die Theatermacher vor allem Bürger mobilisieren, die sich für Theaterkultur, gesellschafts- und kulturpolitische sowie literarische Themen interessieren. „Wir haben das Gefühl, dass sich viele Menschen vom Kulturbetrieb abgehängt fühlen.“
Peter Gutowski erinnert sich da beispielsweise an einen Theaterbesuch am legendären „Berliner Ensemble“. Es stand „Der zerbrochene Krug“ auf dem Spielplan. Klaus Maria Brandauer als Dorfrichter Adam, Inszenierung von Peter Stein. Nach der Vorstellung hörten die Gutowskis vor dem Theater einer Gruppe genervter Jugendlicher zu, die heftig mit ihren Lehrern diskutierten. „Erschütternder Schlusspunkt war die Bemerkung eines Lehrers, die ungefähr so lautete: ‘Aber das war doch Herr Brandauer! Und die Inszenierung ist doch von Peter Stein!’ Mehr Hilflosigkeit im Umgang mit dem etablierten Theater hatte ich bis dato nicht erlebt.“
Auf diese Reibungsverluste wollen Anuschka und Peter Gutowski reagieren. „Die Sitzsituation auf unserer Zuschauertribüne muss sich grundlegend ändern. In einer Testphase haben wir Klappsitze angeboten. Die sind sehr gut angekommen bei den Gästen. In der Phase haben wir ein Entgelt in Höhe von zwei Euro zuzüglich zum Eintrittspreis erhoben. Dieses Entgelt fällt ab sofort weg und die Sitze werden jedem kostenlos zur Verfügung gestellt, der sie benötigt“, erklärt Anuschka Gutowski.
Außerdem verhindere der hohe Eintrittspreis den Besuch vieler interessierter Menschen — vor allem der jüngeren. Ab sofort gibt es deshalb ein „Last-Minute-Ticket“ ein (siehe Infokasten). „Wir wenden uns mit dem Last-Minute-Ticket an Schüler und Studenten, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.“
Da der aktuelle Spielplan schon lange herausgekommen ist, können neue Ideen erst mit der neuen Spielzeit umgesetzt werden. So wollen die Gutowskis die Abende, an denen Büfett angeboten wird, stark zurückfahren. Nicht zu jedem Stück passe das Angebot und nicht jeder Zuschauer ist bereit, mit dem Eintrittspreis auch ein Essen zu buchen.
So ist die neue Reihe „Nachtasyl“ ab Herbst geplant. Das Motto: „vielfältig, kritisch, ehrlich.“ Wie der Titel schon sagt, werden die Vorstellungen dieser Reihe an den Wochenenden später am Abend stattfinden. Im Anschluss daran wird ein „Nachtcafé“ angeboten mit Gesprächen, Musik, Lesungen.
Peter Gutowski: „ Wir haben uns immer durch Vielfalt, kritische Themen und ein hohes Maß an Ehrlichkeit in unseren Arbeiten ausgezeichnet. Neu ist, dass wir das auch mal benennen und in aller Deutlichkeit in die Öffentlichkeit transportieren wollen. Das haben wir in der Vergangenheit versäumt.“
Im „normalen“ Spielplan bleiben Produktionen wie „Dinner für one“ und „Da wackelt die Wand“ erhalten. Aber es soll bald auch ein anderes Gesicht des Theaters geben. „Bei ,Budenzauber’ haben wir gespürt, dass die Menschen ehrlich betroffen waren. Kein Applaus fürs mutige Thema, sondern für situatives Theater, das einem die Schuhe auszieht an manchen Stellen. Ohne großes Brimborium. Schlicht erzählt in — etwas überhöht daherkommender — naturalistischer Bühne“, erklärt Anuschka Gutowski. Eine zu Assoziationen einladende Grundidee stringent gearbeitet. Und egal, wer ihnen was von „Postmoderne“ entgegen brülle. Sie wollen weiter ihre Geschichten erzählen — unzerhackt. Red