Theater: Wo der Hase den Jäger meuchelt

Die Premiere des Grusicals „Struwwelpeter“ im TaZ war für viele Besucher ein mörderisches Vergnügen.

Krefeld. "Als ich ein Kind war, war jeder Irrrrrrsinn wunderbar", rollt dieser durchgeknallte Theaterdirektor wahnsinnsgeküsst und öffnet seine Schreckenskiste.

Heraus purzeln Struwwelpeter, Daumenlutscher, Suppenkaspar und alle anderen störrischen Zutaten zu einem herrlich makabren Horrorkabinett - und einem wunderbar verschrobenen Theaterabend.

Man nehme also: Das Ur-Buch der schwarzen Pädagogik, tiefschwarzen britischen Humor, die schrill-schräge Undergroundband "The Tiger Lillies", und fertig ist die vielleicht erfolgreichste Theaterproduktion der letzten Jahre: "Shockheaded Peter" von Julian Crouch und Phelim McDermott.

Auch in Krefeld mundet dieses Grusel-Ragout, fleißig dreht Regisseur Reinhardt Friese die Schraube der Gewaltphantasien hinein ins Skurrile: Hier kommt keiner lebend raus, alle Bösewichter und Unartigen enden - und es scheint als habe der wunderbare Adrian Linke als Theaterdirektor wahre Freude an dieser Meuchelei: Er sammelt Grabsteine und würzt seine grubenschwarzen Moderationen mit Menschlichem, Allzumenschlichem aus Faust und Hamlet.

Durch die bekannten Katastrophen führt uns die Kopfstimme von Tobias Wessler in Moritaten-Art und mit reichlich Herzkammer-Jammer; wie sich überhaupt das gesamte Ensemble (Sven Seeburg, Paula Emmrich, Ronny Tomiska, Anja Barth und Radovan Matijek) entfesselt um Kopf und Kragen chargiert.

Was für ein flottes Vergnügen, wenn der Hase plötzlich den Jäger meuchelt. Was für ein Entsetzen, wenn Struwwelpeters Eltern mit ihrem Gewissen ringen. Welche wolkige Rührseligkeit, wenn der Fliegende Konrad als Puppe über die Köpfe der Zuschauer entschwebt. Der Daumenlutscher als Scherenschnitt und Schattenspiel, ein bisschen Sadismus, Masochismus, Kannibalismus, alles verzerrt, überrissen, zur Kenntlichkeit vergröbert.

Den Sound zum grandiosen Grusical liefern die "Höllenhunde der Synkopen": Jörg Kinzius, Christoph Kammer und Willi Haselbeck geben dem Horror Saures. Die feinen Lieder, die vielen szenischen Einfälle, die wunderbaren Kostüme von Annette Mahlendorf, die tollen Puppen, das Bühnenbild - es ist wohl kein "Stück für Menschen, die das Wasser nicht halten können", alle anderen aber sollten sich dieses Vergnügen nicht entgehen lassen. Das Publikum tobte.