Theodor Pelster blickt zurück und macht Geschichte zum Greifen nah

Der 71-jährige Theodor Pelster blickt auf zurück auf die Kindheit und Jugend seiner Generation.

Krefeld. Es ist Freitagnachmittag, der Verkehr rauscht über die Forstwaldstraße. Im Haus Nummer 41, seinem Elternhaus, denkt Theodor Pelster an die Zeit zurück, als er Kind war und mit seinen Freunden auf der Straße Rollhockey oder Fußball spielte. Höchstens zwei- bis dreimal pro Nachmittag kamen Autos vorbei. "Es war sehr still hier", sagt Pelster.

Aber so idyllisch es heute klingen mag: Die Zeiten waren damals alles andere als beschaulich. Der ehemalige Lehrer des Fichte-Gymnasiums erlebte seine Kindheit in den 40er-Jahren. Seine Erinnerungen hat der heute 71-Jährige in einem Buch veröffentlicht: "Aufgewachsen in Krefeld in den 40er und 50er Jahren" beschreibt exemplarisch die Erfahrungen einer ganzen Generation. "Es sollte ein ‚Wir-Erlebnis-Buch’ werden", erläutert Pelster das Konzept. Anfang des Jahres war der Verlag an ihn herangetreten.

Jenes "Wir-Erlebnis" ist keine einfache Anforderung, sind die prägenden Erlebnisse doch immer die individuellen. Pelster, der bereits in seine Romane "Noch einmal Ödipus" (2003) und "Kellers Weihnachten" (2007) viel Autobiografisches einfließen ließ, ist die Gratwanderung geglückt.

"Aufgewachsen in Krefeld" ist kein sprödes Sachbuch, das den Leser mit nüchtern-distanzierten Schilderungen oder der Aneinanderreihung von Ereignissen langweilt. Der anschaulich erzählte, detaillierte Rückblick bringt dem Leser anhand vieler Lebenstationen eine Zeit so nahe, dass man sie beinahe greifen kann.

Pelsters Reise führt durch ein Krefeld, in dem die Hakenkreuzflaggen gehisst und Väter in den Krieg einberufen wurden. Schon ein Gespräch mit Juden auf der Straße konnte gefährlich sein. Pelster zeichnet auch die Nacht nach, in der "Krefeld brannte", lässt den Leser teilhaben an der Not der Nachkriegszeit.

Aber sein Bericht ist keineswegs nur düster: Liebevoll erzählt er, wie er und andere Kinder in Lunkebeins Kull schwimmen lernten, berichtet von Sonntagsfahrten auf die Süchtelner Höhen oder nach Kevelaer. Und vom Glück, den Krieg überlebt zu haben und im Zusammenbruch auch die Chance eines Neuanfangs zu sehen.

Der ehemalige Lehrer hat sich noch nie vor der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gescheut. Im Geschichts-Unterricht am Fichte-Gymnasium hat er seinen Schülern immer wieder auch von seinen ganz persönlichen Erlebnissen erzählt. Es ist ihm ein großes Anliegen, als einer der letzten Zeitzeugen das, was im Zweiten Weltkrieg geschah, wach zu halten. "Wir sollten viel dankbarer sein für das, was wir haben, und uns klar machen, wie günstig die Entwicklung letztlich nach dem verlorenen Krieg verlaufen ist", findet Theodor Pelster.

Seit der Veröffentlichung des Buches klingelt im Haus an der Forstwaldstraße oft das Telefon: Krefelder, die Ähnliches erlebt haben, suchen den Austausch. Doch auch für Jugendliche ist "Aufgewachsen in Krefeld" eine lohnenswerte Lektüre - wer erfährt, wie es damals war, geht mit anderen Augen durchs Heute.