Museums-Serie Wenn Alltägliches zur Kunst wird
Serie | Krefeld · Wir stellen Räume der neuen Sammlungspräsentation der Kunstmuseen Krefeld vor. Diesmal zwischen Biedermeier und Porzellan.
Der Geist, indem die neue Sammlungspräsentation am Kaiser-Wilhelm-Museum – dessen 15 Räume wir in dieser Serie vorstellen – geschaffen ist, ist eigentlich gar nicht fundamental anders als das, was man schon um die Jahrhundertwende machte. Was nicht heißen, soll, die Ausstellung sei konzeptuell veraltet. Sie hebt nur ein altbewährtes, in der Zwischenzeit aus der Mode gekommenes, und neuerdings wieder leicht en vogues Prinzip in das Heute. Die Idee, dass Kunst am besten im eigenen Kontext ausgestellt werden muss, um sie ganzheitlicher zu begreifen.
Im Geiste der Stilräume
der Jahrhundertwende
Zu Zeiten Friedrich Denekens, erster Direktor des Kaiser-Wilhelm-Museums, hieß das, Stilräume zu schaffen. Die nicht nur Kunst, sondern auch Möbel, Gebrauchsgegenstände und Co. einer Epoche, eines Stils, in sich vereinten und so die Atmosphäre eines Zeitstils wie etwa Renaissance erfahrbar machten, erläutert man im Begleittext zu der Ausstellung, die passenderweise „Sammlung in Bewegung – 15 Räume 15 Geschichten“ heißt.
Heute wird das natürlich nicht mehr so gemacht, auch, nicht zuletzt, weil in der Gestaltung der Räume oft mehr die Fantasie der Kuratoren mitschwang, man den „Kontext“ mindestens genauso konstruierte, wie die romantisierte Vorstellung von Epochen und Stilen. Was man aber heute macht und somit gar nicht viel anders als Deneken, nur eben etwas reflektierter, ist, Räume zu gestalten, die durchaus ein Phänomen, auch mal eine Zeit, einen Künstler, aber eben auch eine Stilrichtung beleuchten. Zwei der Räume, die hierbei auch „Alltagsgegenstände“, wenn man es zuspitzen möchte, in musealem Kontext zeigen und so der breitgefächerten Aura eines Phänomens nachspüren, wollen wir in dieser Folge vorstellen.
Der Raum „Royal Copenhagen“ widmet sich ganz und gar skandinavischem Design, angewandter Kunst oder enger gefasst dänischem Porzellan und in dem Raum „Der immerwährende Sonntag“ dreht sich alles um die als Phänomen so beachtenswerte Zeit des Biedermeiers. Was die beiden Räume eint, ist, dass in ihnen jeweils die Fäden einer zeitgeschichtlichen Entwicklung durch die Exponate hindurch aufspürbar sind. Sei es im dänischen Raum, in dem sich etwa die Designsprache eines Thorvald Bindesbøll durch viele künstlerische Medien ihren Weg zum Betrachter bahnt, ob nun als Drucke von Buchschmuck, also Verzierungen in Publikationen, in Form von Entwürfen oder eben Lampen und Vasen. Hier Jugendstil, dessen Geist sich durch viele Lebensbereiche zog – dort im Biedermeierraum eine Prägung erwachsen aus einem Rückzug in das Private.
Zwischen kunstvollem Kitsch
und ernsthafter Kunst
In dem Biedermeierraum, der das Lebensgefühl jener politisch unterdrückten Jahre Anfang des 19. Jahrhunderts aufleben lässt, finden wir nicht nur Malerei oder Grafik, oder auch Porzellan, auch ein Möbelstück hat seinen Platz gefunden. Indes postmodern positioniert an der Wand hängend, soviel Bruch in der Präsentation muss man zugestehen, wohl auch damit es nicht zu irgendeinem „Kitsch-Verdacht“ kommt. Ohnehin ist dieser Begriff, „Kitsch“ in seiner nebligen Konsistenz hin und wieder durchaus auch nützlich, um Grenzbereiche zu markieren.
Darf, ja muss man Kitsch ausstellen, wenn es etwas über die Geschichte, über das Denken und Fühlen von Menschen aus anderen Zeiten zu sagen hat? Denn die vergoldeten Schmucktassen, die in der Vitrine an der Wand neben aparter Genre-Malerei hängen, sind genau das: Kitsch aus einer Zeit, in der Kitsch noch von hoher Qualität war. Was nun genau Kitsch ist und wieso eigentlich Unterscheidungen dieser Art sinnvoll sind, lässt sich nur schwer in Kürze erläutern. Vielmehr muss es oft erfühlt werden, anstatt argumentativ erläutert.
Aber Vorsicht ist grundsätzlich geboten. Gerade die Kunst aus jener Zeit, wie etwa auch die Musik eines Franz Schubert, schlicht als „Biedermeier“ abzustempeln und somit Stil, Umstände und Zeitgeschehen miteinander zu verblenden, führte und führt leider oft immer noch dazu, dass wir ästhetische Wege zum Kern der Schöpfungen jener Meister durch Vorurteile versperren. Immerhin stammt die Bezeichnung Biedermeier selbst aus einem abwertenden Kontext: „1855 erscheinen in den Münchener Fliegenden Blättern Gedichte, die einen Gottlieb Biedermaier als Spießbürger und gemütvollen Kleinbürger verballhornen“, heißt es in dem Begleittext zu dem Raum.
Lassen Sie beispielsweise den Zauber der kleinformatigen Gemälde auf sich wirken – sprechende große Ästhetik trifft auf bisweilen naive oder augenzwinkernde Sehnsucht nach Beschaulichkeit. Aber lassen wir uns mit derartigen Überlegungen nicht eben dazu verführen, unsere Vorstellungen von dem, was diese Zeit ausmachte, auf die Kunst überzustülpen?
Mit Vorurteilen übrigens hatte auch der Jugendstil zu kämpfen, seinerzeit; und nicht selten halten diese von außen aufgestülpten Vorstellungen noch bis heute an. Auch eine übermäßige Verehrung oder Begeisterung für einen Stil, des Stils willen — wenn es das in der Schärfe überhaupt geben mag — verstellt auch den Zugang zu dem individuellen Werk. In „Royal Copenhagen“ indes finden wir tatsächlich vornehmlich auch „Royal Copenhagen“, Arbeiten aus den königlichen Porzellanmanufakturen in Kopenhagen und von der Manufaktur Bing & Grøndahl. Mit den Exponaten treffen wir erneut auf das Erbe Deneneks. Der Direktor sah in skandinavischer Kunst ein Vorbild und stellte sie aus.