Beuys-Jahr 2021 in Krefeld Warum das Beuys-Jahr endlich kommen muss

Krefeld · Die Kunstmuseen planen 2021 drei Ausstellungen zu dem Künstler. Wir machen uns Gedanken, wieso Beuys gerade jetzt eine wichtige Perspektive sein kann.

Ein Ausschnitt aus „Barraque d'dull odde“ von Joseph Beuys im Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld. Regale mit verschiedenen Objekten regen die Fantasie an. 

Foto: picture alliance / dpa/Roland Weihrauch

Haben sie das Beethovenjahr 2020 noch auf dem Schirm? Der Autor dieser Zeilen muss zugeben, vor lauter Inzidenz-, Reproduktions- und Infektionszahlen, vor lauter Diskurs um den rechten Weg durch die Pandemie, Homeoffice, Hoffnung auf Öffnung und Lockdown nach Lockdown, ganz vergessen zu haben, dass wir in diesem Jahr eigentlich den 250. Geburtstag des Komponisten feiern. Fast. Und wie ist es mit dem Beuys-Jahr, 2021? Der in Krefeld geborene Künstler wäre dann 100 Jahre alt geworden. Auch fast vergessen? Es wird viel Programm zu Beuys geben; auch in Krefeld. Allein seitens der Kunstmuseen, die derzeit zu sein müssen, drei Ausstellungen – so viel sei schon jetzt verraten.

Beuys-Jahr und seine Kunst kann Perspektiven aufzeigen

Aber zurück zum Vergessen. Das auch sonst latent vorhandene Hamsterrad des Alltags macht in dieser Corona-Zeit keine Pause, es ändert vielleicht sein Gesicht und das nicht zum Besseren. Kurz: Viele – bestimmt nicht alle, generalisieren ist nur selten ein guter Berater – hangeln sich von Tag zu Tag, den Blick ganz und gar in die aktuelle Lage vertieft. Größeres, die weitere Perspektive oder auch ein Gedanke an Jahrestage und Jubiläen kann da nicht selten unter den Tisch fallen. Um dagegen etwas zu tun, lohnt sich einmal im Rennen gegen das Virus Inne zu halten. Sich herausziehen aus der Maschine, und die Antenne ausstrecken für den großen Fluss, einer anderen Art des ästhetischen Denkens und Fühlens als uns zwangsläufig die Zwänge unseres „normalen“ Alltags diktieren – und das ging schon immer am besten mit Beuys.

Und gerade jetzt, in Tagen, die so viel Unsicherheit mit sich bringen, was morgen kulturell möglich sein wird oder auch eben nicht, kann es sehr heilsam sein, den Blick weiter nach vorne zu richten. In der Hoffnung, dass Pläne, die man für 2021 macht, realistischer sein mögen als die, die man für dieses missglückte 2020 gemacht hat. Das Beethovenjahr wurde ein Fiasko, das Beuys-Jahr hat Chancen umso besser zu werden; es sei denn, Corona bäumt sich derart nochmal gegen uns auf, dass trotz Hoffnungen auf Impfungen und Co. kein Ende in Sicht wäre.

Aber dann müssen wir uns ohnehin über das Schicksal unserer Kultur unterhalten und das in einem so ernsten Ton, dass besagter Beuys selbst davor zurückschrecken würde. Beuys hat das, was Kunst ist, anders, sehr anders gedacht. Damit verkrustete Vorstellungen, die eigentlich doch ganz „normal“ waren, derart ad absurdum geführt, also in ihrer Unstimmigkeit bloßgestellt, dass sehr viele Menschen um ihn herum, sich angegriffen gefühlt haben, von seinen Ideen, seinen Worten, seiner Kunst. Denn für Beuys war Kunst mehr als das, was man sehen kann, mehr als das, was man fühlt, wenn man sie sieht. Seine Ästhetik zielte auf eine Einheit von Mensch, Geisteswelt, Natur – um es sehr verkürzt darzustellen. Und dennoch konnten seine Aktionen, seine Installationen, bei denen es nicht selten um sehr stark mit Symbolen aufgeladene Objekte und Materialien ging, auch starke Emotionen beim Publikum wecken. Durch Gegenstände, die Erinnerungen wecken.

Das Foto zeigt Joseph Beuys, charakteristisch mit Hut, im Jahr 1979

Foto: dpa/Dürrwald

Er hat viel erklärt, viel über seine Idee von Kunst gesprochen, manchmal so komplex, dass man gar nicht so recht wissen konnte, ob er sich im Flusse seiner Gedanken nicht manchmal selbst verhedderte. Doch seine eigene Kunst sollte, trotz dem ideologischen Überbau aus sozialem und politischen Denken, auch so als Kunst, als ästhetisches Objekt zu uns sprechen.

Und noch ein Gedanke. Just Beuys mit seiner Denkweise, die uns Menschen in Beziehung zu unserer Natur, der Natur an sich setzt, aber mehr Fantasie hat, als lediglich bei einem reinen Materialismus stehenzubleiben, kann Impulse geben, in Zeiten jener Herausforderungen, vor denen wir aktuell und fallweise zukünftig stehen werden.

Das Beuys-Jahr, dessen Feierlichkeiten übrigens zentral aus Düsseldorf gesteuert werden, immerhin war er dort Kunstprofessor, verspricht aber auch rein faktisch, nicht nur durch schöne Gedanken als Ausweg aus dem Corona-Rad ein Lichtblick zu werden. Und das Dank guter Neuigkeiten von den Kunstmuseen Krefeld sogar noch besser als gedacht. Was man schon länger wusste, war, dass es für Oktober 2021 eine große Beuys- und Duchamp-Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum geben sollte. Zum ersten Mal sollte das Werk von Joseph Beuys dem Œuvre, dem Schaffen, des französisch-amerikanischen Objektkünstlers und Wegbereiters der Konzeptkunst Marcel Duchamp gegenübergestellt werden. „Beuys hat sich immer wieder auf das Werk seines ‚Herausforderers‘ Duchamp bezogen, so 1964 in der berühmten Aktion ,Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet’“, heißt es in der Ankündigung der Ausstellung. Duchamp, der „ironische Skeptiker, Beuys, der gesellschaftsverändernde Visionär“ – obwohl die charismatischen Künstlerpersönlichkeiten quasi als Gegenspieler die Kunst des 20. Jahrhunderts geprägt hätten, reichen die Bezüge und Verbindungen zwischen ihnen viel tiefer und berühren sich bei aller Unterschiedlichkeit in einer Vielzahl von Aspekten. Gerade im Dialog der beiden Protagonisten stellten sich grundsätzliche Fragen nach der Rolle der Kunst in Alltag und Gesellschaft, die in dieser Ausstellung ab dem 8. Oktober bis zum 16. Januar auch anhand einiger ausgewählter zeitgenössischer Positionen vertieft werden. Zu der Ausstellung wird es übrigens einen umfassenden Katalog geben und sie wird kuratiert von der Sammlungskustodin der Kunstmuseen, Magdalena Holzhey, und Kornelia Röder, Duchamp-Forschungszentrum Schwerin.

Neu ist indes die Nachricht, dass es im Frühjahr 2021 im Kaiser-Wilhelm-Museum eine Schau unter dem Titel „Kunst=Mensch – Joseph Beuys in Krefeld“ geben wird. Ein wichtiger und zentraler Akzent im Reigen der unzähligen Beuys-Ausstellungen und Hommagen weltweit. Und das Krefelder Haus kann sich mit seinem Beuys auch durchaus in die erste Liga dieses Reigens zählen. Muss sich dazu zählen. „Als einziges Haus in Nordrhein-Westfalen besitzt das Kaiser-Wilhelm-Museum ein Raumensemble von Joseph Beuys, das so erhalten ist, wie der Künstler es zu Lebzeiten eingerichtet hat“, heißt es stolz vom Museum.

Detail aus der Installation „Barraque d‘dull odde“ von Josephy Beuys im KWM.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Im Mittelpunkt stehen hier die Beuys-Räume mit dem Hauptwerk „Barraque d’dull odde“, denen der Künstler 1984 ihre endgültige Gestalt gab. Ein kunst-magisches Laboratorium, zwischen rostigem Handwerk, Alchemisten-Bude und Käfig um den Künstler im Zaum zu halten. Umrahmt von weiteren Werken und Dokumenten des Künstlers aus eigenem Bestand des Museums. Holzhey, auch hier Kuratorin, hat aber den Blick auch auf eine sonderbare Aktion gerichtet, die sich anlässlich der Erwerbung von „Barraque d’dull odde“ ereignete. Eigentlich sollte Beuys über das Werk referieren; aus dem Vortrag wurde ein skandalträchtiger Moment im – schon Eingangs beschriebenem – Aufeinandertreffen von bürgerlicher Kunstvorstellung und der Denkwelt des Künstlers. Kunst ist gleich Mensch: So einfach ist eigentlich die Formel, die in aller Konsequenz doch sehr wehtun kann. Hierzu liefert diese Ausstellung Material.

Auch Häuser Lange und Esters zeigen eine Beuys-Ausstellung

Die dritte Ausstellung zum Beuys-Jahr der Kunstmuseen Krefeld trägt just den Titel „Mensch Natur Politik – Joseph Beuys im Kontext der Sammlung“. Die Krefelder Kunstmuseen bespielen in dieser Schau, die parallel zur „Beuys und Duchamp“-Ausstellung laufen wird, auch Haus Lange und Haus Esters. „In der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld befinden sich zahlreiche Werke und Werkgruppen von Beuys‘ Schülern, Mitstreitern und Zeitgenossen. Sie rufen das kulturelle Klima der 1960er und 1970er Jahre und das progressive Ausstellungsprogramm wach, mit dem Direktor Paul Wember vor allem Haus Lange international bekannt machte“, heißt es im Ankündigungstext des Museums. Die Ausstellung, die auch von Magdalena Holzhey kuratiert wird, setzt Beuys’ Schaffen in Kontext mit der Sammlung, und lädt auch Gegenwartskunst zum Dialog. Spannend, wie Einflüsse sich verschmelzend diffundieren.