Fußball-Karriere „Nur ein kleiner Schönheitsfehler“

Krefeld · Fast hätte es Tim Stappmann vom TSV Bockum zu den Profis geschafft – doch ein Gendefekt brachte seine Karriere ins Stocken.

Tim Stappmann ist mit 20 Jahren schon durch viele Höhen und Tiefen gegangen.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Für Tim Stappmann war der Fußball spätestens ab dem dritten Lebensjahr ein großer Bestandteil seines Daseins. Zu diesem Zeitpunkt tritt der Dreijährige dem TSV Bockum bei und jagt regelmäßig dem runden Leder nach. Die ersten Hochs folgen, die Tiefs lassen dagegen auf sich warten. Mit dem TSV Bockum wird Tim zweimal Stadtmeister und einmal Hallen-Kreispokal-Sieger. Zudem spielt er schon als E-Junior bei den D-Junioren mit. 2010 folgt der nächste Schritt, der Innenverteidiger wechselt zum MSV Duisburg in die U12. Bei den Zebras geht es für Stappmann weiter steil bergauf. Er wird auf Anhieb Stammspieler, behält diesen Status bis zur U19 aufrecht und ist dabei regelmäßig Kapitän seiner Mannschaft. Bei den A-Junioren bringt sich Stappmann mehr und mehr in den Fokus. Die nächste Stufe auf der Karriereleiter ist in Aussicht. Stappmann soll mit den Profis ins Trainingslager fahren.

Doch aus diesem Vorhaben wird nichts. Bei einer routinemäßigen Untersuchung wenige Tage vor der Abfahrt wird bei Stappmann hypertrophe Kardiomyopathie, kurz HCM, festgestellt. HCM beschreibt einen kleinen Gendefekt am Herzen. Die Folgen: Anstatt mit den Profis ins Trainingslager zu fahren, wurde Stappmann beim MSV aussortiert. „Das war natürlich erstmal ein großer Schock, ich wusste nicht mehr, wo oben und unten ist. Zumal mir von ärztlicher Seite mitgeteilt wurde, dass ich eine lebensbedrohliche Krankheit hätte“, erinnert sich Stappmann und erklärt: „Dieser Gendefekt fällt zu einem kleinen Teil aus den Richtlinien, die es bei medizinischen Untersuchungen im Profifußball gibt. So steht auf dem Papier, dass HCM eine Gefährdung darstellt. Dabei ist es nichts Lebensbedrohliches, es ist nur ein kleiner Schönheitsfehler, der auf dem Papier steht und nichts weiter.“ Dennoch steht Stappmann plötzlich ohne Verein da und muss sich mit ganz neuen Problemen beschäftigen. Er lässt sich bei Ärzten in ganz Deutschland untersuchen, trifft sich mit Gerald Asamoah, der denselben Gendefekt hat und muss sich allein fit halten.

Stappmann bekommt
eine Chance in Leverkusen

Für Stappmann das erste Tief in seiner jungen Karriere. Doch der Nachwuchsspieler bekommt die Chance, sich bei einem Probespiel bei Bayer Leverkusen vorzustellen. Stappmann: „In Leverkusen konnte ich die Verantwortlichen schnell von meinen Fähigkeiten überzeugen. Zudem haben sie sich ausführlich mit dem Thema HCM beschäftigt und meine ärztlichen Unterlagen geprüft. Ergebnis war, dass das Ganze unbedenklich ist.“ Die Saison in Leverkusen läuft bilderbuchmäßig: Der Innenverteidiger spielt jede Minute, erzielt drei Tore, trainiert bei den Profis und darf bei zwei Profi-Spielen mitwirken. Stappmann sagt: „Ich wurde nach Autogrammen gefragt und durfte Sachen erleben, von denen man als kleiner Junge träumt.“ Frühzeitig werden die nächsten Karriereschritte geplant. „Der Sprung zwischen der U19 und dem Bundesliga-Team ist enorm. Deshalb habe ich mich frühzeitig umgesehen und habe nicht zuletzt aufgrund meiner Leistung schnell ein gutes Angebot von Nürnberg bekommen“, so Stappmann. Der Wechsel nach Nürnberg steht fest. Dort soll Stappmann zunächst für die Zweite Mannschaft in der Regionalliga Bayern auflaufen. In Nürnberg bezieht der 20-Jährige seine erste eigene Wohnung und steigt topfit in die Vorbereitung ein.

Wenige Tage später folgt der nächste Tiefschlag. Die medizinische Abteilung der Nürnberger äußert überraschend doch noch Bedenken hinsichtlich HCM. „Der Schock war nicht weniger schlimm als beim MSV, zumal ich von Anfang an mit offenen Karten gespielt habe und in Leverkusen bewiesen habe, dass mein Gendefekt keinerlei Gefährdung darstellt“, beschreibt Stappmann die damalige Situation und schiebt hinterher: „Trotz allem war es für mich nie ernsthaft eine Option, mit dem Fußball aufzuhören.“ Stappmann muss sich wieder selber fit halten und sich erneut auf Vereinssuche begeben. „Die Kader waren zu diesem Zeitpunkt alle zu“, erinnert sich Stappmann. Also ergattert er einen Platz im VDV-Camp. Die Vereinigung der Vertragsfußballer richtet im Sommer ein Trainingslager für vertragslose Fußballer aus. Stappmann trainiert für einige Wochen unter Gleichgesinnten, angeleitet von Peter Neururer und begleitet von RTL Nitro.

Für Stappmann springt durch das Camp jedoch nicht mehr als ein erfolgloses Probetraining bei den Blackburn Rovers in England heraus. Er entschließt sich für den Gang in die Oberliga zum TSV Meerbusch. Stappmann sagt: „Ich wollte wieder eine Mannschaft um mich rum haben und vorerst nicht meine Familie verlassen. Meerbusch war sehr interessiert und die Karriere ist mit einem Wechsel in die Oberliga nicht gleich beendet. Zumal ich den Wechsel als Einstieg in den Seniorenfußball nutzen konnte. Leider hatte ich nicht so viel Einsatzzeit wie erhofft.“

Unabhängig von der Spielzeit stand für Stappmann frühzeitig fest, dass er sich in einer höheren Liga präsentieren möchte. Bei Rot-Weiß Oberhausen stellt er sich erfolgreich im Probetraining vor. „Ich habe mich in Oberhausen gut eingelebt und empfinde diese Station als perfekte Plattform, um mich zu präsentieren.“ Anfang August startete RWO in die Regionalliga-Saison – an den ersten drei Spieltagen wurde Stappmann jedoch noch nicht eingesetzt. Vor der Saison hatte er 20 Spiele als Mindestziel für diese Saison ausgegeben. Vor allem aber will Stappmann den nächsten Schritt machen, auf dem Weg zum großen Ziel. „Ich will mal Bundesliga spielen“, sagt der 20-Jährige. „Wenn es nur die zweite Liga wird, ist es auch O.K.“ Von weiteren Tiefs wird sich Stappmann auch in Zukunft nicht aufhalten lassen.