Viele Menschen haben in ihrem Leben besondere Ziele, die man nicht von heute auf morgen mal eben so abhaken kann. Für die einen ist es ein Fallschirmsprung, für andere eine Alpenüberquerung und dann gibt es Leute wie mich, die unbedingt einmal einen Marathon laufen wollen. Dieses Ziel existierte schon lange Zeit in meinem Kopf. Mit dem Ende der Leistungssportkarriere rückte es immer mal wieder in den Fokus, um dann doch wieder hinten angestellt zu werden, bis mich im vergangenen Jahr der Ehrgeiz packte und ich mich für den Düsseldorf Marathon anmeldete. Freunde und Familie hielten mich am Anfang für verrückt, je länger das Training und die Test-Wettkämpfe andauerten, desto stärker merkten sie, dass ich es wirklich ernst meinte.
Am Sonntag war es dann endlich so weit, der Tag der Wahrheit. In meinem Kopf stellten sich natürlich bedenkliche Fragen, ob ich auch genug trainiert habe, halten die Schuhe und der Körper die Belastung überhaupt aus und was passiert, wenn ich an der Halbmarathon-Marke einfach keine Energie mehr habe? So viel darf an dieser Stelle verraten werden, das Ziel wurde erreicht und auch die anderen Fragen, konnten allesamt positiv beantwortet werden, aber dazu später mehr.
Zuschauer an der Strecke
tragen die Läufer durch die Stadt
Einen Marathon sollte man auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen, seine eigenen Fähigkeiten sollte man gut einschätzen können. Nur mit ausreichendem Training und einem klaren Plan für den großen Tag sollte man sich dieser enormen Belastung stellen. Diesen Plan hatte ich in meinem Kopf: Bloß nicht zu schnell anlaufen und mich auf den ersten fünf bis sieben Kilometern von der Atmosphäre und den Top-Läufern aus dem Konzept bringen lassen. Als der Startschuss um 9.30 Uhr am Josef-Beuys-Ufer ertönte, ging sie also los, die Reise durch die Landeshauptstadt. Vorbei an meinen Eltern, Freundin und Freunden machte ich mich auf den Weg, der zunächst in Richtung Düsseldorfer Messe führte. Schon auf den ersten Metern merkte ich, dass das Tempo gut war, die Form stimmte.
An der Strecke feuerten die Zuschauer jeden Läufer an, man hatte das Gefühl in einem ausverkauften Fußballstadion zu sein. Immer wieder schweiften meine Blicke nach links und rechts, um die teilweise sehr kreativen Motivationsplakate der Zuschauer anzuschauen. „Kölner würden bei Kilometer zehn schon im Taxi sitzen“ oder die Klassiker „Denk dran, du hast dafür bezahlt“, „im Ziel wartet die Banane auf dich“, ließen die erste Wettkampf-Stunde fast wie im Flug vergehen. Über die Oberkasseler Brücke ging es nach Oberkassel und was die Läufer dort erwartete, übertraf noch einmal meine kühnsten Träume. Jeder Läufer kennt die Szenen des London-Marathons, wenn die Sportler die Tower-Bridge passieren und von den Leuten links und rechts „getragen“ werden. So war es auch auf der Luegallee. Gänsehaut macht sich in meinem Körper breit. Als ich dann zwei gute Freunde an der Strecke sah, die mich noch einmal anfeuerten, wusste ich, das hier ist etwas Besonderes, du musst jeden Meter genießen.
Natürlich hatte ich mir vorab auch eine Zielzeit vorgenommen. Unter vier Stunden wäre ein Traum gewesen und bis zur Halbmarathon-Distanz, die ich in 2:01 absolvieren konnte, waren die Pacemaker auch im direkten Sichtfeld, bei Kilometer 29 sah es dann leider ein wenig anders aus. Die hohen Temperaturen machten sich bemerkbar. Um nicht komplett blau zu laufen, entschloss ich mich, das Tempo ein wenig zu reduzieren, um noch mit Spaß die letzten 13 Kilometer durchzustehen. Ab Kilometer 38 war es dann allerdings mit dem Spaß vorbei, die Schmerzen nahmen überhand. Meine Beine hatten eigentlich keine Lust mehr, mussten aber weiter. Als ich bei Kilometer 40 und 41 die Düsseldorfer Königsallee passierte und mich dort tausende Menschen noch einmal motivierten, waren die Schmerzen allerdings für kurze Zeit wie weggeblasen.
Die Zielgerade war in Sicht, die Erfüllung meines Lebenstraums war nahe. Auf den letzten 300 Metern gab es keine Schmerzen oder Gedanken über die verpasste Zielzeit, sondern einfach nur noch pure Freude, über das, was ich geschafft hatte. Arme nach oben, Jubelpose aufsetzen und nach 4.15 Stunden ins Ziel laufen, der Marathon war geschafft. Als ich im Ziel die Medaille in den Händen hielt, meine Freunde, Eltern und Freundin treffe, war sie wieder da, diese Gänsehaut. Es war ein fantastischer Tag – trotz der harten zweiten Rennhälfte. Am Ende überwiegen Stolz und Freude, lassen all die Schmerzen vergehen – zumindest bis zum Muskelkater, der ja bekanntlich erst später kommt.