Rückblick: Als Hingsens Goldtraum platzte

Heute vor 30 Jahren verlor der Bayer-Athlet im olympischen Zehnkampf gegen Daley Thompson.

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Krefeld. Europas beste Zehnkämpfer stehen ab Dienstag in Zürich wieder beim Kampf um die Königskrone der Leichtathletik im Blickpunkt. Fehlen wird Vizeweltmeister Michael Schrader (Knieverletzung), der seine Karriere ebenso in der Uerdinger Zehnkampfschule begonnen hatte, wie Jürgen Hingsen und Dennis Leyckes oder die dort endete wie die von Torsten Voss.

Auf den Tag genau, heute vor 30 Jahren, lieferte sich der Uerdinger Jürgen Hingsen, in Abwesenheit des gesamten Ostblocks, bei den Olympischen Spielen in Los Angeles das dritte herausragende Duell mit dem Briten Daley Thompson. An flotten Sprüchen von beiden Protagonisten hatte es vor dem neuerlichen Aufeinandertreffen nach der EM 1982 in Athen und der ersten WM 1983 in Helsinki nicht gefehlt. Beinahe jede Gelegenheit wurde genutzt, sich darzustellen. „Ich bereue nichts aus dieser Zeit. Auch wenn ich immer verloren habe, hat erst unser Duell den Zehnkampf richtig populär gemacht“, sagt Hingsen. Von der damaligen Feindschaft blieb nichts übrig. Im Gegenteil: Ihren 50. Geburtstag vor vier Jahren feierten beide zusammen.

Akribisch hatte sich Hingsen unter Trainer Norbert Pixken in Santa Barbara, der Heimat seiner kalifornischen Ex-Ehefrau Jeannie, auf das Duell vorbereitet und wurde seitdem von Thompson schlichtweg als „Hollywood-Hingsen“ bezeichnet. Der Brite führte mit seinem deutschen Kontrahenten seit Jahren ein Duell nicht nur auf der Tartanbahn, verhöhnte und foppte Hingsen, wo es ging. Einschlägige hiesige Gazetten taten ihr übriges, beschrieben Hingsen vor den Spielen als den deutschen Herkules.

Nicht von ungefähr, denn der zwei Meter große und damals 102 Kilogramm schwere Musterathlet, hatte erst zwei Monate vor dem Olympiaduell den Weltrekord auf gigantische 8798 Punkte angehoben. Ein Rekord für die deutsche Sport-Ewigkeit, denn Hingsen verlor zwar später den Weltrekord wieder an Thompson, doch als Deutscher Rekord hat die Punktzahl nach 30 Jahren immer noch Bestand. Mit 8797 Punkten verpasste Thompson in Los Angeles die Weltrekordmarke um einen Zähler. „Ich wollte Gold und damit den Sieg, alles andere war unwichtig“, gestand der Brite.

Schon über 100 Punkte nach dem ersten Tag hinter Thompson zurückliegend, hatte Hingsen nach der siebten Disziplin, dem Diskuswerfen, bis auf 32 Zähler aufgeholt und witterte eine Siegchance. Doch ein von großer Hitze geprägter Stabhochsprungwettbewerb zerstört alle Goldträume.

Ausgerechnet die Sahne-Disziplin, die er für seine sicherste hielt und die Trainer Pixken immer und immer wieder auf den Trainingsplan gestellt hatte, brach ihm das Genick. Statt über 5,10 Meter, wie wenige Wochen zuvor in Lüdenscheid, rutschte Hingsen in Los Angeles nun am Stab herunter, schaffte die Anfangshöhe von 4,50 Meter erst im dritten Versuch. Danach war Schluss. Thompson sprang fünf Meter und hatte Gold sicher. „Ich war völlig von der Rolle, hatte einen Sonnenstich, wusste nicht mal, was Stabhochsprung ist“, sagte Hingsen kleinlaut und war wieder nur Zweiter.