Fotografie Mit der Leica im Anschlag und ohne Schiss
Der Fotograf Axel Gayk feiert am Donnerstag seinen 80. Geburtstag. Jahrzehnte war er mit seiner Kamera für die WZ in Krefeld unterwegs. Ihn kennen alle, und er kam überall rein.
Krefeld. Er ist nicht groß gewachsen, aber übersehen wird Axel Gayk nur, wenn er es will und es ihm nutzt. Beispielsweise, wenn er sich mit versteckter Kamera im Gefolge von Bundeskanzler Helmut Kohl zur Feier der Auswanderung von Krefeldern nach Amerika ins Seidenweberhaus einschleicht. Zulassung, Akkreditierung?
„Nein“, erzählt Gayk vergnügt, „hatte ich nicht.“ Fotos vom Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten Bush hatte er am Ende trotzdem. Heute feiert er den 80. Geburtstag.
Über Hintertreppen und durch Küchen erreichte Axel Gayk sein Ziel. Immer. Seit 1970 hat der Oppumer zunächst als Angestellter, dann als Redakteur für die WZ alles abgebildet, worüber berichtet wurde — und mehr.
Heute hängen Modeschöpfer Karl Lagerfeld, Künstler Beuys, Außenminister Genscher, Bush, Willy Brandt und die beiden Helmuts — Schmidt und Kohl — in seinem Treppenhaus, Weltberühmtheiten neben Lokalgrößen. „Die haben alle gemacht, was ich gesagt habe.“ Klick.
Ist denn irgendwas mal richtig schief gelaufen? Oh ja, sagt Gayk. Ein Jubiläum, zehn Farbfilme à 36 Bilder — und ein Leck im Wasserschlauch bei der Firma, die die Entwicklung machte. Alles verdorben. „Die Bilder waren nur noch als Andenken zu brauchen.“
Der Besuch auf den Falklands 20 Jahre nach Kriegsende war 2001 ein Highlight, aber auch vor Ort gab es immer wieder Aufregung. Dreimal wurde Gayk höchstoffiziell zur Rede gestellt, musste sich in Düsseldorf („Landtag oder Landgericht, was war das noch?“) für Fotos verantworten, die so nicht hätten gemacht werden dürfen. Luftaufnahmen aus Krefeld aus einem türlosen Helikopter beispielsweise. „Wir wollten doch nur Bilder von der Kirmes“, sagt Gayk und tut harmlos.
„Ich hatte nie Schiss“, sagt Gayk. „Die guten Fotos habe ich so gekriegt.“ Manchmal half auch ein knarzender Hocker. Auf den stieg der kleingewachsene Mann, als er im Gefängnis einen Doppelmörder im Weihnachtsgottesdienst fotografieren sollte. Der drehte sich perfekt in die Kamera, als es hinter ihm knarrte. Klick.
Axel Gayk kannte alle. Um dieses Wissen in die Redaktion zu transportieren sollte — so die Bitte — der geschätzte Kollege seine Fotos mit Zetteln versehen, auf denen die Namen der Fotografierten stehen. Schlitzohrig wie Gayk war, setzte er den Auftrag um. Wörtlich. Brav legte er alle Fotos mit angeklammerten Zetteln vor. Auf denen stand — nichts. „Ich war Fotograf“, sagt Gayk, und lacht noch heute über seine Aktion. Die schreibenden Kollegen mussten sich um alle Namen kümmern.
Eine Erkrankung seiner Frau und die Umstellung auf Digitalfotografie brachten die Entscheidung: Mit 65 Jahren hörte Axel Gayk 2001 auf. Fotos macht er heute kaum noch, „nicht einmal, um ein Foto von Püppi zu machen“, sagt er und streichelt den fünfjährige Kaninchendackel. Mit seiner Pensionierung war es genug: genug Termine, genug Fotos, genug Stunden in der Dunkelkammer im heimischen Keller. Auch in Schwarz-Weiß-Zeiten, war der Tageszeitungsjournalismus für den Fotografen aufreibend.
Er habe damals vielleicht einen Film für drei Termine gehabt, erzählt der 80-Jährige. „Da musste man genau überlegen, was man fotografiert.“ Und dann die Spannung, wenn das Motiv in der Dunkelkammer langsam zum Vorschein kam. „Man wusste ja nie, ob es gelungen war.“ Tricks, ein Bild besser zu machen, hatte Axel Gayk aber auch in vordigitalen Zeiten auf Lager: Ein Puk, der es beim dramatischen Eishockey-Foto nicht mit aufs Bild geschafft hatte, wurde eigenhändig mit Edding aufgemalt.
Mancher Eingriff war auch dem in der Redaktion geplanten Format geschuldet: Wozu braucht ein Fußballer Beine, wenn er einen Ball köpfen will? Die fielen dem knappen Platz ebenso zum Opfer wie der Oberbürgermeister, der sich unvorsichtigerweise an den Bildrand postiert hatte. Schnipp, und im Zeitungsbericht war er nicht einmal mehr als Schatten präsent.
Ende 2011 übergab Axel Gayk alle Negative — geschätzt eine Million — dem Stadtarchiv, in Filmdosen gerollt, nummeriert, mit Monat und Jahr ausgezeichnet. „Zu 99 Prozent“, sagt Gayk, „sind die nicht durcheinander.“ Man sei gerade in den 60er Jahren angekommen, heißt es im Stadtarchiv. „Wir haben jetzt einen Schnellscanner angeschafft. Einzeln zu scannen, hat keinen Sinn.“